Es hat schon glorreichere Zeiten für gedruckte Magazine gegeben. Bertelsmann hat gerade viele Titel bei Gruner + Jahr eingestellt. Glauben Sie an Magazin-Journalismus?
ANNA THALHAMMER: Es hat prinzipiell schon glorreichere Zeiten für die ganze Branche gegeben. Ich glaube an Journalismus – er ist demokratiepolitisch wichtig.

Was ist guter Journalismus?
Einer, der tiefgründig, unaufgeregt und seriös ist, sich an Fakten orientiert. Oskar Bronner hat dieses Magazin gegründet und gesagt: Wir wollen möglichst viele Informationen bereitstellen, damit sich die Menschen eine Meinung bilden können. Das möchte ich hier auch tun.

Werden Sie eine investigative Chefredakteurin sein?
Immer wieder hoffentlich – ohne zu viel zu versprechen. Ich glaube, wenn ich das nicht mache, werde ich unglücklich.

Ihr Vorgänger, Christian Rainer, hat sein Amt mit dem eines Außenministers verglichen. Wie werden Sie es anlegen – als Innenministerin, Generalsekretärin, Kanzlerin?
Wie schon einmal gesagt: Ich bin der Harald Mahrer der Medienbranche – viele Minister in einem (lacht). Im Ernst: Es gibt viele Baustellen, die es auf Schiene zu bringen gilt. Repräsentation gehört natürlich dazu.

Welche Baustellen orten Sie?
Wir haben eine wirtschaftliche Baustelle; in erster Linie jene von meinem Geschäftsführer (Anm. Richard Grasl). Die Redaktion muss ein möglichst gutes Produkt hinstellen, das sich verkaufen lässt. Eine Riesenbaustelle ist das Digitale: Das muss man dringend angehen.

Und inhaltlich?
Ich werde die Wirtschaft ausbauen und einen Schwerpunkt auf Politik legen. Jede Geschichte, die erscheint, sollte gesellschaftspolitisch relevant sein.

Warum?
Wir leben in einer Zeit, in der unsere schönen Demokratien nach und nach beschnitten werden – weltweit. Internationale Gerichtshöfe verlieren an Relevanz. Es ist wichtig, dass man sich auf die Grundfragen konzentriert und dazu breite Informationen anbietet. Das ist nicht immer schreiend, blinky und sexy. Das ist der gesellschaftspolitische Bildungsauftrag, den Qualitätsmedien haben. Damit wir auch künftig eine freie, liberale Demokratie haben.

Wie beurteilen Sie die politische Berichterstattung im Land?
Das Verhältnis zwischen Politikern und Journalisten ist schwieriger geworden. Es ist ein großes, gegenseitiges Herumgehacke, stärker emotional als konstruktiv. Ich würde die Debatten mit den politisch Verantwortlichen im "Profil" künftig wieder etwas ruhiger führen. Dafür müssen die Politiker natürlich mitmachen und für Gespräche zur Verfügung stehen.

Österreich ist ein kleines Land, die Verhaberung groß.
Ich muss einen Richter zitieren, der sagte: Es heißt, im Leben trifft man sich immer zweimal. In Wien trifft man sich dreimal die Woche und das ist das Grundproblem. Es ist ein schmaler Grat. Einerseits muss man mit Menschen vertrauensvoll reden können und Informationen aus erster Hand erhalten, andererseits gibt es rote Linien. Das ist sehr schwammig geworden – auch wie die Politik den Boulevard mit Anzeigen gefördert hat.

Wie halten Sie es damit?
Verhabern kann ich mich eh nicht, weil ich kein Haberer bin. Es fällt mir relativ leicht, es gibt einen einzigen Politiker, den ich als Freund bezeichnen würde – einen Wiener SPÖ-Bezirksrat.