Die Sorge um Kultursender Ö 1 schlägt weiter Wellen: Dass Radiodirektorin Ingrid Thurnher in einem "Standard"-Interview Veränderungen im Radioprogramm in Aussicht gestellt hat und damit ein möglicher Wegfall von Sendungen wie "Zeit-Ton", "Jazznacht", "Kunst-Radio" im Raum steht, ruft nach einem Protestschreiben bekannter Kulturschaffender auch zentrale Protagonisten des heimischen Musiklebens auf den Plan: In einem Schreiben an ORF-Chef Roland Weißmann, Thurnher und die Mitglieder des Stiftungsrats wenden sich Spitzen des Musikbetriebs gegen die Preisgabe von "mindestens 575 Stunden zeitgenössischen, größtenteils österreichischen Musikschaffens, die aus dem öffentlichen Raum verschwinden sollen."

Es drohe "ein Kahlschlag mit einem nie dagewesenen Schaden für die heimische Musikszene und der damit verbundenen wirtschaftlichen Wertschöpfungskette, welche Komponist:innen, Verlage, Labels, Festivals, Konzerthäuser, Jazzclubs, Interpret:innen, Ensembles, Orchester, aber auch Universitäten und Konservatorien sowie freischaffende Künstler:innen gleichermaßen betrifft", wird in dem Schreiben gewarnt. Betroffen wäre unter anderem das auf neue und experimentelle Musik fokussierte Festival Musikprotokoll im steirischen herbst, das am 6. Oktober in Graz beginnt.

Kritisiert wird unter anderem der "kapitale Denkfehler", die "Hochglanzkultur" gegen das "originär Schöpferische ausspielen zu wollen", wie es in dem Schreiben heißt. "Die Pläne des ORF würden damit einer fatalen Beschädigung des hohen Ansehens und des internationalen Ranges des Musiklandes Österreich gleichkommen." Die Unterzeichner fordern, dass der ORF "Abstand von der massiven Infragestellung Neuer Musik und Jazz nimmt und weiterhin einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt des österreichischen Musiklebens leistet." Begleitet wird das Schreiben von einem offenen Brief und einer Online-Petition auf change.org: https://chng.it/WzFCPgWp 

Was die Zwickmühle für den ORF verschärft: Die Liste der Unterschreibenden könnte kaum prominenter sein: Zu den Unterstützer-Institutionen zählen die Leiterinnen und Leiter wichtiger Festivals, Orchester und Universitäten – darunter Peter Paul Kainrath (Klangforum Wien), Josef Winkler, Nali Gruber und Erwin Wurm (Österreichischer Kunstsenat), Markus Hinterhäuser, Lukas Crepaz und Kristina Hammer (Salzburger Festspiele), Christian Kircher (Österreichische Bundestheater), Ekaterina Degot (steirischer herbst), Michael Bladerer (Wiener Philharmoniker) Georg Schulz (Kunstuni Graz), Elisabeth Gutjahr (Mozarteum Salzburg).