Sie sind seit 19 Jahren bei der „Furche“ und seit zwei Monaten Chefredakteurin. Hat Sie in dieser Zeit etwas überrascht?
Doris Helmberger-Fleckl: Überraschung würde ich nicht sagen, die Rolle ist eine andere. Jetzt ist es auch eine Managementaufgabe, und das ist neu. Es war klar, dass es eine andere Perspektive sein würde, aber man muss den Blick weiten und verändern.
Sie betonen, die „Furche“ sichtbarer machen zu wollen. Was meinen Sie damit konkret?
Doris Helmberger-Fleckl: Wir haben, denke ich, ein sehr gutes Produkt, das spannend und wert ist, stärker wahrgenommen zu werden. Die digitalen Medien machen es auch leichter, die Zeitung sichtbarer zu machen. Früher hat man Printkampagnen schalten müssen, jetzt gibt es auf Facebook und den sozialen Medien auch Möglichkeiten, aktiv zu sein. Und wir haben tatsächlich sehr aktive Kanäle auf Facebook, Twitter und Instagram. Durch die neue Webseite mit ihrem Herzstück, einer Zeitmaschine, haben wir ab Ende Oktober auch noch ganz neue Möglichkeiten. Wir werden etwas anbieten, das in der österreichischen Medienlandschaft wirklich neu und einzigartig ist.
Gerade online herrscht ein enormer Kampf um die Aufmerksamkeit, in dem oft nur die gehört werden, die am lautesten schreien. Wird auch die „Furche“ lauter auftreten?
Doris Helmberger-Fleckl: Schreien wollen wir nicht, darauf hat keiner Lust bei uns. Wir wollen durch unsere Inhalte, durch die Köpfe, die bei uns schreiben, durch eine neue Perspektive auf aktuelle Themen und durch Hintergründigkeit Aufmerksamkeit erregen. Und ja, wir wollen auch überraschen. Das Ziel ist hervorzustechen, aber das muss man nicht, indem man laut schreit.
Wie sieht es mit der Zielgruppe aus: Wer sind die „Furche“-Leser?
Doris Helmberger-Fleckl: Die Leser sind reflektierte, gebildete Menschen. Ein sehr feines Publikum, das man aber natürlich ausweiten muss. Es ist auch ein eher reiferes Publikum, aber es gibt ja auch jüngere Menschen, die reif sind. Das Ziel ist die Gruppe 35 plus: Das ist auch jene Klientel, die verstärkt bereit ist, für hochwertige Inhalte zu zahlen. Menschen, die an Analyse, aber auch an existenziellen Fragen und Orientierung interessiert sind.
Es gibt in Österreich das Beispiel einer Wiener Wochenzeitung, deren Chefredakteur sehr öffentlichkeitswirksam in den sozialen Netzwerken auftritt und für sein Produkt wirbt. Wäre das auch für Sie ein gangbarer Weg?
Doris Helmberger-Fleckl: Natürlich ist es sinnvoll, dass man als Chefredakteurin auch sichtbar wird. Aber ich werde nicht jede Sau durch das digitale Dorf treiben und bei jedem Anlass aufschreien. Außerdem möchte ich mich nicht mit Florian Klenk vergleichen, die „Furche“ ist ja etwas anderes als der Falter, und beides ist gut und wichtig. Das hier wird bestimmt keine One-Woman-Show werden. Wir sind ein tolles Team mit exzellenten Kolleginnen und Kollegen.
Welchen Impuls haben Sie als neue Chefredakteurin der Redaktion mitgegeben?
Doris Helmberger-Fleckl: Ein wichtiger Impuls für mich ist, dass man produktiv mit dem Diskurs und mit der Polarisierung umgeht. Wir haben in unserer Leserschaft eine große Breite, vielleicht mehr als andere Zeitungen, das merkt man auch bei den Leserbriefen und Beiträgen. Das kann eine Herausforderung, aber auch eine Chance sein: Wir werden Meinungselemente ausbauen, Pro-Contra einführen, wir werden überlegen, inwiefern wir pointiertere Gastbeiträge bringen und andere einladen, darauf zu replizieren. Ich wünsche mir jedenfalls, dass die „Furche“ ein Forum wird, auf dem sich Menschen guten Willens, die einigermaßen gescheit sind, austauschen können, ohne einander Beschimpfungen und toxisches Vokabular an den Kopf zu werfen.
Interview: Daniel Hadler
Letzte Frage: Wo soll die Furche in fünf Jahren stehen?
Doris Helmberger-Fleckl: Sie wird nie der mächtige große Player sein. Aber ich möchte, dass weitgehend alle Menschen wissen, dass da eine Zeitung ist, die sich die Mühe macht, genauer hinzusehen; wo ich finde, was ich sonst nirgendwo finde und die auch im Internet durch ihre Zugänge etwas Frisches hat, das andere Zeitungen nicht haben. Eine ernst zu nehmende Stimme, an der man nicht vorbeikommt.