Kennen Sie die Quoten der ZiB 2 von Montagabend?

Martin Thür: Sie lagen bei 700.000 Zuschauern. Ich muss aber gestehen, dass mich Quoten schon immer wahnsinnig wenig interessiert haben und mich auch in Zukunft wenig interessieren werden. Mein Job ist es, so gut wie möglich journalistisch zu arbeiten.

Es waren 750.000 Zuschauer im Schnitt. Ganz ehrlich: Macht Ihnen so eine Zahl Angst?

Sie macht mir keine Angst, aber sie flößt mir Respekt ein. Denn die ZiB 2 ist das Hochamt für Nachrichten. Sie ist die wichtigste Nachrichtensendung des Landes, hier wird Innenpolitik abgehandelt, hier werden die wichtigsten Interviews geführt und hier wird eine politische Debatte geprägt. Diese Sendung hat eine unglaubliche Geschichte. Da saßen von Robert Hochner über Ingrid Thurnher, von Armin Wolf bis zu Lou Lorenz-Dittlbacher so viele große Journalisten und Journalistinnen. Wenn man Teil dieser Reihe sein darf, ist das natürlich eine große Ehre.

Armin Wolf hat einmal gemeint, Sie seien „der Mann beim falschen Sender“. Fühlen Sie sich jetzt beim ORF richtig?

Ich fühle mich vor allem richtig gut angenommen in der Redaktion. Von ZiB2-Leiter Christoph Varga abwärts wird hier super Arbeit gemacht.

Haben Sie sofort zugesagt?

Ja natürlich! Ich habe nicht einmal eine Sekunde überlegt.

Sie kamen vom Privatsender ATV über einen kurzen Zwischenstopp bei der Rechercheplattform Addendum im Herbst zum ORF. Aus der Innensicht: Wie anders tickt die Information bei einem öffentlich-rechtlichen Sender?

Der Unterschied liegt auch im Format, mit dem man viel sorgsamer umgehen muss. Beim Privatfernsehen kann man die Dinge auch einmal komplett infrage stellen oder eine Debatte ohne Moderator initiieren. Das geht bei einem öffentlich-rechtlichen Sender nicht, das werden wir mit der ZiB 2 am Wochenende auch nicht machen. Da muss man zurückhaltender mit Veränderungen sein.

Gibt es etwas, woran Sie sich erst gewöhnen müssen?

Am schlimmsten ist die Anfahrt. Ich wohne im 2. Bezirk und fahre jeden Tag eine Stunde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Arbeit. Da bleibt mir viel Zeit, um Podcasts zu hören. Und im Haus selbst finde ich noch nirgendwo hin.

Sie stehen auch für die Verjüngung des Formats. Was darf man sich denn in puncto Grafiken et cetera für die ZiB 2 am Sonntag erwarten?

Es geht darum, dass man sich jeden Tag damit auseinandersetzt: Was ist die beste Darstellungsform für eine Geschichte? Da geht es noch gar nicht um die Recherche und das Inhaltliche, sondern: Wie bereite ich das visuell auf? Wie schaffe ich es, komplexe Zusammenhänge so zu erklären, um den politischen Konflikt dahinter sichtbar zu machen?

Haben Sie dafür schon ein Element im Auge?

Vom Faktencheck erhoffe ich mir viel. Und: Es gibt ja auch noch die eine oder andere Wahl in diesem und im nächsten Jahr, für die es viele Ideen gibt. Jetzt müssen wir einmal starten.

Haben Sie Vorbilder, was das Führen von politischen Interviews angeht?

Keine wirklichen Vorbilder. Aber was ich an amerikanischen Interviewern toll finde, ist, wie unglaublich schnell sie im Begreifen von Zusammenhängen und im Vorhersehen der Antwort ihrer Interviewpartner sind. Da würde ich mir gerne ein Scheibchen abschneiden.

Sie haben einmal gesagt, zu viele Live-Interviews enden in Langeweile oder im Streit. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Mit penibler Vorbereitung - das ist der Trick. Da sitzen einem Politiker gegenüber, die ihre Botschaften loswerden wollen, dem Thema ausweichen oder ablenken. Man muss versuchen zu verstehen, wie die andere Person tickt, was der mögliche Konflikt an ihrer Position ist. Dazu muss man wissen, ob es in der Partei oder beim Koalitionspartner andere Meinungen gibt.

In Zeiten von Fake News: Was ist Ihre Maxime als Journalist?

Ich organisiere gemeinsam mit zwei Freunden die Journalismustage in Wien. Vor zwei Jahren hatten wir Carl Bernstein zu Gast, und der hat ein sehr schönes Motto: „The best obtainable version of the truth“, also „Die beste erhältliche Version der Wahrheit“. Dieser Satz fasst zusammen, was Journalisten anstreben sollten. Es ist unsere Aufgabe, bis zur und während der Sendung so nah wie möglich an die Fakten heranzukommen, an das, was tatsächlich passiert.