Es klingt nicht nach heutiger Sprache, aber entspricht ganz gut zumindest einem Teil der heutigen Weltlage oder vielmehr der Befindlichkeit ihr gegenüber: „Ich bin der Welt abhanden gekommen, mit der ich sonst viele Zeit verdorben“, schrieb der deutsche Dichter Friedrich Rückert 1821. Es ging um die innere Flucht aus dem „Weltgewimmel“, wie er es bezeichnete. Eine Flucht, die sich 2025, also über 200 Jahre später, sogar in Zahlen gießen lässt: Im September hat das Gallup-Institut gemeinsam mit dem Medienhaus Wien eine Studie zur Mediennutzung durchgeführt. 1000 Leute wurden befragt, 75 Prozent davon gaben an, dass sie regelmäßig oder gelegentlich Nachrichten meiden.
„News Avoidance“, also Nachrichtenvermeidung, nennt man diese Entwicklung, die seit ein paar Jahren zu beobachten ist und das schon vor Corona und den allseits präsenten Polykrisen, beide haben die Entwicklung jedoch zumindest beschleunigt. Doch hat das Zurücknehmen der eigenen Person, vielleicht sogar der Verzicht auf die aktive Teilnahme in den aufgeregten Blasen überhaupt eine Auswirkung? Ja, die hat es und zwar eine enorme. Denn die Frage, die all diesen Entwicklungen zugrunde liegt, lautet: Wie viel Information braucht die Gesellschaft, um zu funktionieren? „Information ist grundsätzlich notwendig, damit Gesellschaft demokratisch funktionieren kann. Es geht um einen Austausch, einen Diskurs, der von Vernunft begleitete Entscheidungen hervorbringt“, erklärt Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien. Der Blick in die Praxis zeigt längst, dass es im Alltag schon vielfach hapert: „Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, wenn es eine Faktenlage als Ausgangsbasis gibt, aber wenn wir uns über die Nachricht, die diese Fakten vermittelt hat, nicht mehr einigen können, dann haben wir ein Problem“, analysiert der Medienexperte. Die Folgen sind eindeutig spürbar, es komme „zu einer stärkeren politischen Polarisierung“.
Eine weitere Entwicklung verschärft die Ausgangslage, wie die Studie gezeigt hat: Ein Drittel der Bevölkerung ist der Ansicht, dass man sich nicht aktiv informieren muss – die aktive Nachrichtenbeschaffung ist einer Zufallsberieselung gewichen. Social-Media-Feeds oder Bekannte werden zu primären Nachrichtenquellen. „News will find me“, nennen das Experten. Die Folgen sind auch hier demokratiepolitisch heikel, so Kaltenbrunner: „Die Höhle, in der man sich befindet, wird immer enger, weil man genau das kriegt, was man will.“ Hinzu kommt das Misstrauen in Journalismus und Medien und das in einem Land, das sich lange Zeit durch eine hohe Nutzung von Traditionsmedien auszeichnete. Wie Medien gefordert sind: Transparenz, sich selbst erklären – „wie Nachrichten zustandekommen, aber warum auch mal Fehler passieren.“ Auch der heimischen Medienpolitik steht ein Brocken ins Haus: Es gilt, die hierzulande fehlende Medienkompetenz zu forcieren, das gilt für Schulen, aber auch für Erwachsene.