Den Werken von Leonardo da Vinci muss man erst mit der Röntgenfluoreszenz-Technik zu Leibe rücken, um annähernd hinter das Geheimnis seines Sfumato-Effekts zu gelangen. Allein im Gesicht der Mona Lisa gibt es Stellen, wo der Schatteneffekt durch zumindest 30 Lasurschichten erzielt wird. Die Besucher des Louvre jedoch, die vor ihr stehen, sind von dieser perfekten Unschärfe geblendet. Das ist nicht oberflächlich, nein, nein, es ist der Reiz der schönen Oberfläche. Aber wo die meisten hängen bleiben, dort beginnt für Helmut und Johanna Kandl ihre Reise oder vielmehr ihre vielen Reisen. Es ist ein Erkunden dessen, was das Bild im physischen Kern ausmacht: Die unendliche Materialpalette, die es Künstlerinnen und Künstlern erst ermöglicht, ihre Kunst auch sichtbar zu machen.

Doch das, was die Kandls antreibt, sind keine Hymnen auf die Schönheit von Lapislazuli oder das intensive blutige Karminrot der Cochenilleschildlaus. Die Malerin und Restauratorin und ihr Mann schürfen tief, bisweilen sehr tief – etwa im Inneren von Bergbaugebieten. Erst einmal bis zum Ausgangspunkt der Materialien vorgedrungen, gilt ihr Blick den mannigfaltigen ökonomischen Folgewirkungen – Umweltschäden und Ausbeutung von Mensch und Natur. Das alles dokumentieren Helmut und Johanna Kandl in einer verdichteten, multimedialen Ausstellung: Einerseits sachlich, aber kurzweilig bis haptisch der Einblick in Form, Farbe, Verhalten von Materialien bis hin zur Materialgewinnung selbst – vom Bergbau bis zur Verarbeitung des Rotmarderfells in Jakutien für Pinsel.