Heinrich von Herzogenberg (1843–1900)
Heinrich von Herzogenberg (1843–1900) © KK

Manche erhalten nicht einmal genug Stimmen für das Repräsentantenhaus, aber ein Grazer Festival kriegt Stimmen aus aller Welt. Und das zum bereits fünften Mal. Bei „Voices of Spirit“ fiel die Wahl heuer unter anderem auf Nive aus Israel, den Unicef Donor’s Choir aus Südkorea, den Staatschor Latvija aus Lettland oder die King’s Singers aus England, die beweisen werden, warum sie seit 50 Jahren auf dem A-cappella-Thron sitzen.

Ja, das viertägige Chorfestival setzt einmal mehr auf Spitze, darunter eine Dirigier-Masterclass mit dem schwedischen Ausnahmekönner Robert Sund. Aber auch auf Breite. Also ist ganz im Sinne von Telemann – „Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen“ – genug Platz für Basisarbeit. Sie reicht vom beliebten Offenen Singen über eine „Gläserne Chorprobe“ für Kiebitze bei der Singschul’ der Grazer Oper bis zu sieben „Friendship Concerts“, in denen heimische Ensembles von Ilz bis Übelbach Gastgeber der internationalen Chöre sind.

„Roots – Wurzeln“ lautet heuer das Leitmotiv des mit dem Fux-Konservatorium und dem Musikverein kooperierenden Festivals, dessen Programm der künstlerische Leiter Franz Herzog und der Chorverband Steiermark präsentierte: „Dafür werden sich die Teilnehmer mit entsprechenden Themen befassen, von der Folklore ihrer Heimat bis hin zu Umweltgedanken“ – nachzuhören schon am Eröffnungsabend bei „Earth Songs“.  Und bei der Gala „Let Freedom Sing!“ spielt (nicht nur) das Jubiläum 100 Jahre Republik Österreich hinein.
Bemerkenswert ist auch die  „Eigenproduktion“ am 23. November: Dabei stellen der zum Anlass gegründete Festivalchor, der Chor des Grazer Musikgymnasiums sowie das Orchester und Solisten des Fux-Konservatoriums unter Franz Herzog Ausschnitten des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms eine echte Rarität gegenüber: jene „Totenfeier“, die Heinrich von Herzogenberg als persönliche Trauerarbeit und zugleich eindringliches Zeugnis für die Lebenskraft der Musik schrieb. Elisabeth, die Frau des Grazer Komponisten, eine begnadete deutsche Pianistin, war nämlich mit erst 44 Jahren in San Remo infolge eines Herzleidens verstorben. Zu ihrem ersten Todestag widmete Herzogenberg ihr diese berührende oratorische Kantate, deren Texte er aus Bibelworten und Choralstrophen selbst zusammenstellte und die er über Weihnachten 1892 vollendete. Max Bruch schrieb nach der Uraufführung: „Herzogenberg hat den Mut gehabt, sich genau so zu äußern, wie es ihm ums Herz war, und die Wirkung ist nicht ausgeblieben.

Das nächste Festival kommt übrigens bestimmt. Und bestimmt früher. „Voices of Spirit“ übersiedelt nämlich aus logistischen Gründen auf Ende Mai/Anfang Juni. Dabei soll ein Neukonzept – 2019 stark orientiert am fabelhaften Oktett Voces 8 aus London – für noch mehr Stimmen und Stimmung sorgen.

„Voices of Spirit“: 22. bis 25. 11. in Graz und in sieben steirischen Orten. Gala der King’s Singers in Kooperation mit dem Musikverein am 25. 11. um 19.30 Uhr im Stefaniensaal Graz. Information und Karten: Tel. (0316) 82 99 25. www.voicesofspirit.at