Gehen Sie eigentlich mit Groll von Graz weg, Herr Weinöhl?

JÖRG WEINÖHL: Nein, überhaupt nicht. Ich verlasse Graz mit vielen wichtigen Erfahrungen. Und ich weiß, dass vieles geglückt ist. Ein Beispiel: Vergangenen Mittwoch hatten wir an einem lauen Sommerabend knapp 1000 begeisterte Zuschauer bei einer Ballettaufführung im Opernhaus. Da muss ich doch glücklich sein! Und mit dem „Nussknacker“ haben wir es geschafft, dass hier nach rund 25 Jahren wieder eine Ballettproduktion zu 100 Prozent ausverkauft war.

Und trotz der Erfolge verlassen Sie Graz. Warum also?

JÖRG WEINÖHL: Es hat weder mit der Arbeit an sich noch mit dem Ort zu tun. Ich habe Graz ja schnell lieben gelernt, habe aber einen klaren Anspruch, in welchem Umfeld ich arbeiten will und ob es in diesem Umfeld eine gemeinsame Vision gibt. Mit dem Leistungsnachweis, den wir in den ersten Spielzeiten erbracht haben, hätten sich die Bedingungen für den Tanz an diesem Haus verbessern müssen. Und diese Bedingungen wollten eben nicht geschaffen werden. Die Rahmenbedingungen stimmten für mich nicht mehr.

Veränderungen waren von Intendantin Nora Schmid offenbar nicht gewünscht. Auf welche Punkte haben Sie gepocht?

JÖRG WEINÖHL: Der wichtigste Punkt war: Das Ballett braucht im Opernhaus eine zweite große Produktion pro Saison. Das Nein, dass das auch noch in der fünften Spielzeit nicht so sein wird, wurde beiläufig in einem Nebensatz erwähnt. Und in diesem Moment musste ich feststellen: Ich werde nicht ernst genommen. Das Haus setzt eben andere Prioritäten, ist aber nicht in der Lage, das klar zu kommunzieren. Es gibt Intendanten, die auf die Sparte Tanz stolz sind. Ich sehe: Graz ist eine Stadt für Tanz. Und ich hatte ja auch vor, länger zu bleiben.

Geht es in Graz also vor allem darum, Tänzer für die Musical- und Operettenproduktionen zu haben?

JÖRG WEINÖHL: Ich will es so formulieren: Das künstlerische Potenzial wird so nicht ausgeschöpft. Ich habe bei vielen Mitarbeitern der Bühnen Graz ein anderes Verständnis dafür geschaffen, welche spezifischen Bedingungen und Anforderungen der Tanz braucht. Da geht es vom Auslegen eines Schwingbodens auf der Bühne bis zur Planung der Probeneinheiten.

Haben Sie einen Rat für Ihre Nachfolgerin Beate Vollack?

JÖRG WEINÖHL: Nein, und den braucht sie auch nicht. Sie muss sich in der kommenden Saison zwei Direktionen als Ballettchefin teilen – die in St. Gallen und die in Graz. Das wird schwierig genug sein.

Was hinterlassen Sie?

JÖRG WEINÖHL: Mein Anliegen war es, speziell für Graz, eigens für diesen Ort Werke zu schaffen, die zu den Menschen sprechen. Und ich glaube, das ist mir und meinem Team gelungen.