Was das sei, will Peter Perg wissen und deutet auf eine Flagge. „Rot-weiß-rot, Republik Österreich. Den Kaiser gibt’s nicht mehr.“ Das ist das Erste, das der gebrochene Kriegsheimkehrer hört, als er nach zwei Jahren Gefangenschaft 1920 wieder Wiener Boden betritt. Der frühere Kriminalbeamte und Oberstleutnant hat den Ersten Weltkrieg und zwei Jahre russische Gefangenschaft überlebt.
Aber die Welt, in die er nun geworfen wird, ist nicht weniger derangiert. Die Monarchie ist Geschichte, die Heimkehrer sind keine Helden, sondern fristen im Obdachlosenheim ein bitteres Dasein. Die Menschen leiden, gaunern, hungern. Es fehlt an allem. Pergs Frau und seine Tochter flohen aufs Land. An seine Rückkehr glaubte niemand.
Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky („Die Fälscher“) zeichnet in seinem neuen opulenten Film ein düsteres Bild der Zwischenkriegszeit. Beim Locarno Film Festival uraufgeführt, wurde er mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.


„Hinterland“ funktioniert nicht nur als Historiendrama, sondern webt eine grausame, aber konventionelle Kriminalstory über einen Serienkiller auf Rachefeldzug ein. Und Peter Perg, einst talentierter Kriminalinspektor, ist zunächst der Hauptverdächtige, später der Ermittler.
Das Spezielle am Film: Ruzowitzky und sein Kameramann Benedict Neuenfels kreieren Bilder, die als Hommage an expressionistische Stummfilm-Klassiker wie „Das Cabinet des Dr, Caligari“ erscheinen. Krumme Häuser, schiefe Straßen und Kirchtürme: Die ganze Welt ist aus den Fugen geraten. Das historische Wien der internationalen Koproduktion entstand nicht vor realer Kulisse, sondern die Szenen vor Prater, Friedhof der Namenslosen oder Parlament wurden fast gänzlich vor Bluescreen gedreht, das Szenenbild (Andreas Sobotka und Martin Reiter) entstand großteils am Computer. Das ist beim Zuschauen anziehend, gewöhnungsbedürftig und hoch interessant, funktioniert aber nicht immer gleichermaßen gut.


„Vorhin am Tatort, der Tod, die Verbrechen, da habe ich mich das erste Mal daheim gefühlt“, sagt Perg einmal. Für Murathan Muslu („Risse im Beton“, „Die Macht der Kränkung“) ist die Figur des Versehrten eine Paraderolle, die er bravourös meistert. An seiner Seite brillieren „Babylon Berlin“-Star Liv Lisa Fries als junge Pathologin, Margarethe Tiesel als ungarische Haushälterin oder Matthias Schweighöfer mit prägnantem Auftritt.
Schwere, schwarze, schmerzvolle Kost über die Traumata des Krieges, toxische Männlichkeit und Minderwertigkeitskomplexe.