Man fürchtet sich ein bisschen vor Ihnen in "Family Dinner". Wie empfanden Sie Ihre Figur im Drehbuch?
PIA HIERZEGGER: Die Anfrage kam ganz kurzfristig. Ich war komplett erschöpft vom Proben für die Recherche-Show im Volkstheater. Nur wegen Corona hatte ich überhaupt Zeit dafür. Ich habe vor "Family Dinner" noch nie Horror gemacht, habe sowohl Rolle als auch Dialoge als spannend gefunden. Ich hatte das Gefühl, dass das funktioniert. Sowohl beim Kinofilm "Breaking the Ice" als auch bei "Family Dinner" wurde ich als die Mutter gebucht. Die Assoziation: Jetzt bin ich also in einem Alter für die Tanten und Mütter.

Ärgert Sie das?
Es ärgert mich nicht. Ich denke aber, dass es viele Geschichten über Frauen um die 50 gibt. Es muss nicht immer jene über die Mutter der Protagonistin sein, es könnten auch eigene Geschichten sein. Bei "Family Dinner" ist es ja nicht so, dass es nicht eine spannende Rolle ist.

Am allerbesten daran ist, dass Sie unheimlich und unberechenbar sein dürfen. Und hinterfotzig.
Ich bin nur freundlich.

Ihr freundliches Lächeln ist wie eingefroren. Wie anstrengend war es, das zu spielen?
Komischerweise ist mir das erst beim Sehen aufgefallen, dass ich so freundlich lächle. Wenn man nur die Dialoge liest, hat man das Gefühl, dass sie sich total kümmert. Man weiß nicht, welches Ziel sie verfolgt. Deswegen war das nicht anstrengend.

Famoses Gespann: Nina Katlein und Pia Hierzegger in "Family Dinner"
Famoses Gespann: Nina Katlein und Pia Hierzegger in "Family Dinner" © Panda Film

Eine übergewichtige Teenagerin kommt aufs Land zu ihrer Tante. Sie will abnehmen und bekommt ein strenges Fasten-Programm vorgesetzt. Wo steckt für Sie der Horror in dieser Geschichte?
Der Horror steckt in der Verbohrtheit, in der Ignoranz anderer Meinungen. Darin, dass man nur das glaubt, was man für sich selbst entdeckt hat, wie man sich die Welt mitsamt alternativen Fakten baut. Dass diese Mutter das durchzieht, das ist der Horror. Einmal sagt der Sohn zur Mutter, dass etwas anderes überhaupt nicht mehr ankomme bei ihr. Auch das ist der Horror.

Corona-Demos, Fake News: Wie prägend war die Realität für den Dreh?
Es hat geholfen, aber muss natürlich nicht 1:1 in eine Geschichte eingebaut werden. Das Spannendste an einer Figur ist, dass man ein Gespür für sie entwickeln kann. Und das hat der Peter (Anm. Regisseur Hengl) geschafft.

Die andere Horror-Ebene ist das superfeine Essen, das Ihre Figur auftischt, extra für den Sohn. Alle anderen fasten. Wie viel Gourmetexzess darf sein?
Ich kenne es, dass man als Schauspielerin immer darauf achtet, wie viel man isst – diesen gestörten Umgang. Das war interessant. Es hat sich so gespiegelt, dass sich Michael Pink so lange auf den Film vorbereitet hat, intensiv trainiert und gefastet hat, dass ich das Gefühl hatte, ich muss da mitmachen. Es kann nicht sein, dass ich sage: "Niemand darf etwas essen!" Und ihm nimmt man es ab und mir nicht.



Also?
Wir haben während des Drehs wenig gegessen und wenig geschlafen, weil wir oft in der Nacht drehten. Ich war ziemlich fertig, aber vielleicht hat das geholfen: Der Horror war die ganze Zeit in dieser Verzweiflung. Ich hatte das Gefühl, nur noch zu funktionieren.

Es war Ihr erster Ausflug ins Horror-Fach. Wird es einen weiteren geben?
Mich interessieren die Beziehungen, das Spiel mit den anderen Figuren, die zusätzliche realistische Ebene. Habe ich das Gefühl, es ist nur Genre, kann ich nichts damit anfangen. Das gilt nicht nur für Horror, sondern jedes Genre. Es langweilt mich, wenn es gut erfüllt ist. Ich würde gerne einmal etwas Schirches spielen, genauso wie etwas Liebes. Es liegt nicht an mir.

Etwas Schirches spielen Sie in "Family Dinner" ja auch! Was wäre denn etwas Liebes?
Nicht unbedingt ein Opfer, aber ein warmer Mensch. Das spiele ich nicht so oft. Vielleicht wissen die anderen, dass ich das nicht kann.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken: Sind Frauenfiguren abseits von Geliebte, Mutter, Opfer vielfältiger geworden?
Ja, das liegt daran, dass viel mehr Frauen Frauenrollen schreiben. Ich habe vor Kurzem in Deutschland am Theater ein Stück gesehen, das ich selbst vor 15 Jahren geschrieben habe und ich habe mich erschrocken! Da ist bei mir und in der Gesellschaft viel weitergegangen. Zum Glück.



Sie sind Schauspielerin, Moderatorin und Drehbuchautorin. Haben Sie Lust, selbst Regie zu führen?
Ich schreibe schon lange und war am Theater schon oft Co-Regisseurin. Ich hatte zweimal das Glück, dass Bücher von mir von Leuten gemacht worden sind, die ich sehr schätze und trotzdem gibt es den Wunsch, das einmal selbst auszuprobieren. Es ist eine persönliche Geschichte. Ein Film über drei Frauen in meinem Alter. Es ist vielleicht ein bisschen inflationär, viele Schauspielerinnen und Schauspieler führen Regie. Aber wenn man es nie probiert hat, ärgert man sich vielleicht. Mal schauen.

Welche Projekte stehen an?
Ich habe die Fortsetzung vom Kärntner Landkrimi "Waidmannsdank" geschrieben. Im Februar beginnt der Dreh.

Verraten Sie uns mehr!
Jutta Fastian ist auch wieder als ermittelnde Polizistin dabei. Daniel Prochaska führt wieder Regie. Wir drehen um den Ossiachersee und im Moment heißt der Film "Bis in die Seele ist mir Kalt", das ist ein Zitat aus einem Gedicht von Christine Lavant.