Regiedebüt im Musiktheater, und mit Mozarts „Figaro“ und der Beaumarchais-Geschichte auch gleich noch eine der verwickeltsten Opern. Wie viele Schweißperlen standen denn auf der Stirn, ehe Sie Ja sagten?

ALFRED DORFER: Die meisten Schweißperlen hatte ich in Bezug auf den „Figaro“ wegen der Coronasituation und den damit verbundenen Kürzungen und Auflagen. Ich habe grundsätzlich großen Respekt vor Opern und dem ganzen Genre und vor Mozart sowieso. Mozart ist ja so etwas wie meine Lebensmusik.

Wie kam es zum Engagement am Theater an der Wien?

ALFRED DORFER: Selber wäre ich nie auf die Idee gekommen, den Intendanten Roland Geyer zu fragen, ob ich eine Opernregie machen darf, er trug es an mich heran. Er hatte ja schon zuvor branchenfremde Künstler wie Christoph Waltz für den „Fidelio“ oder Stefan Ruzowitzky für den „Freischütz“ engagiert. Nach einer langen Bedenkzeit habe ich Ja gesagt, weil es – und man kann es ruhig so kitschig formulieren – eine Liebesgeschichte ist, aus der absoluten Zuneigung zur Oper heraus.

Ist die Liebe nun noch größer geworden oder anstrengender?

ALFRED DORFER: Größer war fast nicht möglich. Aber natürlich waren die durch Corona notwendig gewordene Arbeitsweise und die Umstände, die sich daraus ergeben haben, noch einmal anstrengender. Doch ich denke, wir sind sehr gut durch diese spezielle Situation gekommen, durch dieses schlingernde Gewässer.

Sie haben ja das Glück, mit dem Concentus Musicus Wien und Stefan Gottfried am Pult mit einer „Heimmannschaft“ arbeiten zu können. Die Solistinnen und Solisten sind hingegen doch sehr international. Konnten sie zwischendurch heimreisen?

ALFRED DORFER: Das war eines der ganz schwierigen Themen: Ich empfinde große Empathie mit den Darstellern, die aus Amerika, Italien und sonst woher kommen. Die hatten nämlich nicht nur die obligaten fünf Wochen Probe, für die man in einer fremden Stadt sein muss, sondern durch den Lockdown zusätzliche drei Wochen. Und dann kam noch der Terroranschlag hinzu. In der Zeit ist keiner von ihnen gereist, sie erleben also noch viel länger diese außergewöhnliche Situation, allein, fern der Heimat, ohne eventuellen familiären Verpflichtungen nachkommen zu können. Das ist schon schwierig durchzuhalten.

Was war das künstlerisch Schwierige für Sie?

ALFRED DORFER: Als ich zusagte, war es relativ klar, dass ich nah am Libretto bleiben möchte. Aber das wurde durch die Umstände umgeworfen. Wir müssen eine sogenannte Coronafassung des „Figaro“ spielen, ohne Chor, ohne Pause und um rund eine Dreiviertelstunde auf zweieinviertel Stunden gekürzt. Bei jeder Oper ist es möglich, bei den Rezitativen anzusetzen, aber wenn man dann anfangen muss, von der Musik etwas wegzulassen, dann tut es mir weh und den Musikern erst recht.

Kabarettist und Opernregisseur ist eine seltene Doppelfunktion, wenn man Otto Schenk einmal ausnimmt. Fühlt man sich da geadelt?

ALFRED DORFER: Das Wort ist ja schon ganz aus der Mode, aber: Für mich ist das eine Ehre. Und eine besondere Herausforderung: Oper ist ja die komplexeste Theaterform, die es nur geben kann, da müssen ganz viele Ebenen zusammenpassen. Text und Musik sowieso, dazu das Umsetzen der Geschichte in das Bühnenbild, die Rolle der Kostüme et cetera. Beim „Figaro“ kommt noch die Komik dazu: Wie dosiert man die? Mir war im Vorhinein klar, dass ich keine zusätzlichen Gags einbauen werde. Wenn man bei den Aufführungen ganz viel Mozart und Beaumarchais und ganz viel Sängerinnen und Sänger sieht und ganz wenig Dorfer, dann ist mir das sehr recht. Man soll jedenfalls nicht die Handschrift eines Satirikers spüren, sondern die eines großen Opernliebhabers.

Der letzte „Figaro“ im Theater an der Wien 2015, den Regisseur Felix Breisach als Therapiesitzung  in einer Psychiatrie anlegte, war laut Kollegen eher eine Bauchlandung. Traut man sich bei so einem heiklen Debüt Experimente zu, oder setzt man eher auf Sicherheit?

ALFRED DORFER: Wenn ich etwas Provokantes sagen darf: Meine Regiearbeit ist eher ein Experiment zurzeit, nämlich dass ich ganz beim Stück bleibe und es ernst nehme, dass ich diese Genialität im Zusammenspiel von Musik und Text würdige und versuche, daraus etwas Neues entstehen zu lassen. Dem „Figaro“ noch etwas aufzupfropfen, ist in meinen Augen ohnehin unmöglich.


Sie hatten durch den Lockdown viel mehr Probenzeit. War das gut, oder brauchen Sie den Druck, die „Erotik der letzten Sekunde“?

ALFRED DORFER: Sie meinen das „Schularbeitssyndrom“? (lacht). Also, wir hatten beides. Einerseits gab es den Luxus, dass wir zum Beispiel in Ruhe leuchten konnten – drei, vier Tage ohne Ensemble, das wir inzwischen in die Pause schickten. Und wir hatten auch Zeit zum Feilen an anderen technischen Dingen. Andererseits war es natürlich schwierig, ein elfköpfiges Ensemble über so viel längere Zeit als gewohnt auf Spannung zu halten.

Haben Sie Lunte gerochen?

ALFRED DORFER: Ich habe mir noch nicht den Kopf zerbrochen, was kommt. Aber es ist sicher nicht so, dass mich meine ersten Erfahrungen im Musiktheater abschrecken oder desillusionieren.

Ist doch schon was, wenn einen die eigene Arbeit nicht abschreckt!

ALFRED DORFER: (lacht) Ja, genau. Aber solche Engagements hängen ja nicht vom eigenen Willen, von den eigenen Wünschen ab. Trotz der Mühsal der Umstände und der langen Strecke, die wir hinter uns haben, sage ich jedenfalls sicherlich nicht: Nie wieder!

Und wenn es doch ein eigener Wunsch wäre: Welche wäre die nächste Oper?

ALFRED DORFER: Entweder „Così fan tutte“. Oder die allererste Oper, die ich in meinem Leben hörte, unschwer zu erraten: „Die Zauberflöte“.

Sie werden also – mit einem Wort – ein Mozart-Regisseur?

ALFRED DORFER: Vielleicht, nachdem ich immer sage: Ich bin eine Mozart-Graugans, so wie mir seine Musik von Anfang an zugetragen wurde, ohne dass mir das damals bewusst war. Mozart war jedenfalls bei uns im Hause der Komponist.

Wie geht’s eigentlich mit dem Kabarettisten Dorfer weiter? Trauen Sie sich da schon etwas zu sagen?

ALFRED DORFER: In erster Linie werde ich, sobald die Theater wieder öffnen dürfen, mit meinem aktuellen Stück „und…“ auf der Bühne stehen, worauf ich mich sehr freue. Dass ich als Satiriker nicht schweige zu gewissen Dingen, ist bekannt und damit habe ich meinen Freundeskreis ja nicht gerade erweitert (lacht). Aber durch den Ausfall der Auftritte fehlt im Moment ein bisschen die Möglichkeit, das zu platzieren. Darum habe ich auch im Juni die Initiative „Wir und Kultur“ mit ins Leben gerufen, bei der es allerdings nicht das Ziel ist, nur die Klappe aufzumachen, sondern bewusst zu machen, wie zentral Kunst und Kultur für Österreich sind – und da geht es nicht um mich als Kabarettisten und mein Genre, das eh unabhängig und nicht subventioniert ist, da geht es um die Unterstützung der gesamten Kulturbranche.

Dann wünsche ich Ihnen, dass die Initiative Erfolge zeitigt, und der Graugans bei der Premiere einen schönen Flug in die anderen Welten!

ALFRED DORFER:  Danke, Herr Konrad Lorenz!

Szene aus dem "Figaro", der vor leerem Saal Premiere hat, aber im ORF gesendet wird
Szene aus dem "Figaro", der vor leerem Saal Premiere hat, aber im ORF gesendet wird © Moritz Schell/TADW