„Wo ein Misthaufen ist, mach eine Blumenwiese daraus!“: Wer könnte den (Selbst-)Auftrag besser verstehen als Mathis Huber, der ja nebenbei auch Bauer ist? Ja, Corona war und ist Mist. Aber schon Ende Mai hatte der Intendant das ursprünglich geplante Programm der styriarte mit 32 Projekten umgeackert und war am ersten möglichen Tag für Veranstalter, am 1. Juli, als erster Festivalleiter in Österreich wieder ins Rennen gegangen.

Gestern zog Huber Bilanz über das Rennen und die „Blumenwiese“ und lobte zunächst die dankbaren Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die aufgetretenen Künstler über den grünen Klee. „Dieses außergewöhnliche Festival hat uns deutliche Auskünfte über die Rolle der Musik in unserem Leben gegeben. Zum einen, wie dringend Menschen Musik brauchen und wollen. Zum anderen, wie wichtig für Künstler die echte Begegnung mit dem Publikum ist“. Für beide sei Kunst und da speziell Musik nicht einfach ein Beiwerk, sondern ein essenzielles Lebensmittel.

Dieses Lebensmittel konnte man ja heuer coronabedingt nur eingeschränkt und unter völlig anderen Bedingungen als sonst ausgeben. Aber es sei keineswegs eine „Not-styriarte“ gewesen, unterstützte Katharina Schellnegger den Festivalchef. Zuständig für Service und Veranstaltungsdramaturgie und diesmal als Covid-Beauftragte für die Sicherheit, schwärmte sie bei der Bilanzpressekonferenz von „so vielen berührenden Begegnungen und positiven Rückmeldungen wie noch nie. Für mich war es jedenfalls die schönste styriarte – ein echtes Geschenk“ - ganz nach dem heurigen Motto: „Geschenke der Nacht“.

Im künstlerischen Rückblick und Vorausblick auf das Festival, „das heuer ein überraschend großer Erfolg war“, hob Huber zwei Aspekte hervor: „Erstens: Die beglückenden Momente mit dem Festspiel-Orchester, in dem sich hiesige Musiker und Gäste wechselseitig künstlerisch befruchten – von der Pastorale.Soap bis zur Feuerwerksmusik ein Erfolgsversprechen, das wir in die Zukunft bringen wollen. Und zweitens: Die weitere Etablierung von Johann Joseph Fux, bei dem es in der Nachfrage noch Luft nach oben gibt“, wie der Intendant gesteht. Gefüllt werden soll dieser Luftraum im nächsten Jahr mit der dritten szenischen Oper des steirischen Barockmeisters beim Festival: Rund um dessen „Psiche“, ein erotisch prickelndes Drama von 1720/22, wird 2021 ein Programm erstellt, das unter dem Motto „Lust“ laufen soll.

Huber sieht sich nach Ablauf der 26 Festivaltage mit 23 Einzelprojekten und 77 in der Regel einstündigen Veranstaltungen darin bestätigt, das Festivalprogramm zwar formatmäßig, aber inhaltlich kaum verändert zu haben. „Unser Ansatz hat gelautet: Wir machen alles, was möglich ist“. Dazu habe man glücklicherweise die volle Unterstützung der Stadt Graz und des Landes Steiermark ebenso gehabt wie die treuen Sponsoren rund und die Raiffeisen-Landesbank. „Das hat uns die Möglichkeit gegeben, trotz aller Widrigkeiten voll Optimismus volles Rohr zu veranstalten“.

Nicht ganz so optimistisch ist Huber bei der Frage, wie es mit Veranstaltungen und Veranstaltern generell weitergehen wird: „Wir alle sehen vor uns nur Nebel“. Er selbst, unter anderem auch für das Orchester recreation zuständig, das Mitte Oktober seine neue Saison beginnt, glaube zumindest für das heurige Jahr an keine Normalität mehr. Obligaten Konzertbetrieb, also volle Auslastung der Säle, werde es sicher nicht geben, man stehe jedenfalls vor enormen ökonomischen Herausforderungen, „und solche Husarenritte wie mit der 250-Zuschauer-Begrenzung“ ließen sich nicht auf Dauer machen.

Auch auf die hochgekochte Diskussion um das Fair Pay von Orchestermusikern ging Huber, der ja zu dem Thema einen eigenen Blog auf der Festivalseite eingerichtet hat, bei der Pressekonferenz kurz ein: „Auch wenn sie mich unerwartet und auf dem falschen Fuß erwischt hat: Die Diskussion ist gut und wird auch von uns sicher weitergeführt. Wir werden in jedem Fall weiter zu verteilen versuchen, was da ist, und dafür sorgen, dass eventuell mehr da ist.“

Summa summarum will Huber aber dennoch positive Erfahrungen aus dieser schwierigen Saison mitnehmen: „Ja, Rituale des Konzertwesens wurden zertrümmert, aber man kann sie auch neu und anders aufbauen“. Er denke da zum Beispiel an kürzere und frühere Konzerte, die von vielen der diesmal 17.000 (sonst 30.000) Besucher gut aufgenommen worden seien. „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um noch populärer zu werden“. Auch die Streamings von heuer zwölf Projekten – als Trostpflaster für jene gedacht, die sich nicht in die Konzertsäle trauten – sollen Fortsetzung finden. „Wir lassen uns jedenfalls durch so ein Virus nicht unsere Mission zerstören zu zeigen, dass die Welt besser wird durch die Kunst“.