Vom „Sprechen als Eröffnung von Welt“ erzählte der oberösterreichische Dramatiker und frisch gekürte Jonke-Preisträger Ewald Palmetshofer in seiner Dankesrede Sonntagabend im Klagenfurter Konzerthaus. Und er warnte vor einer „Verschließungs-, Verengungs- und Verhinderungs-Sprache“: „Der politische Sprech will uns einsperren, wo wir sind, jeder bleibe an seinem Ort, sowohl sozioökonomisch als auch geografisch!“ „Du bist kein würdiger Preisträger, du bist der richtige!“, hatte zuvor Jurysprecherin Bettina Hering, Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, in ihrer Laudatio gemeint, in der sie sowohl Publikum als auch Schauspieler ansprach, als sie meinte: „Feigheit hat keinen Platz, wenn man sich einem seiner Stücke stellt!“ – Als mutig erwiesen sich auch Nadine Zeintl und Oliver Vollmann, die mit einer Performance von Palmetshofer- und Jonke-Texten durch den Abend führten – Sprachkaskaden, die durch das Klavierspiel des 11-jährigen Elias Keller einen stimmigen Kontrapunkt fanden.

Zur Zeit ist Ihre Überschreibung von Gerhart Hauptmanns Stück „Vor Sonnenaufgang“ am Stadttheater Klagenfurt zu sehen. Sie sind in Ihren Stücken eher sparsam mit Regieanweisungen. Wie weit bringen Sie sich in so eine Produktion ein?

EWALD PALMETSHOFER: Das ist unterschiedlich, bei Uraufführungen oder wenn es zu Rückfragen kommt, bin ich schon da...

Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, einen Bühnentext aus der Hand zu geben?

Ich finde es schön, dass meine Arbeit am Schreibtisch irgendwann endet und dann andere damit weiterarbeiten, meine Texte in ihre Körper nehmen und Sprache hörbar machen. Ich versuche die Form vorzugeben, und der Text wird dann durch andere Künstlerinnen und Künstler in eine Aufführung übersetzt. Erst die Aufführung ergibt das eigentliche Stück. Keine oder wenig Regieanweisungen zu geben bedeutet einzuladen, den Text mit einer eigenen Bilderwelt auszustatten.


Warum Dramatik und nicht Prosa?
Der Sprechakt ist das, was mich interessiert. Dramatik zielt auf einen hörbaren Sprechvorgang ab, sie bedarf der körperlichen Veräußerung, des Spiels auf der Bühne. Außerdem habe ich bei Prosa keinen Einblick in den Lesevorgang des Publikums - ein Buch liest ja jeder für sich allein. Mich interessiert an der Dramatik gerade die Erfahrung der Aufführung. Und sie ist auch eine direkte Kritik am Stücke-Schreiber, eine Rückspiegelung in mein Schreiben hinein, eine Überprüfung in der Praxis. Beim Schreiben fürs Theater weiß ich um den eigenen Mangel. Denn erst durch das Schauspiel vor Publikum wird es zu dem, was der Text sein möchte.

Sie haben den Gert-Jonke-Preis erhalten, dessen Namensgeber ein virtuoser Sprachkünstler war. Was bedeutet Ihnen das?

Ich bin Gert Jonke leider nie persönlich begegnet. Es ist sonderbar, ich habe das Gefühl der Name Jonke und sein Werk sind wie ein Haltepunkt, der mir als Schreibendem die Versicherung gibt, dass Sprache am Theater wesentlich ist. Theater ist nicht nur der Ort, an dem Geschichten erzählt werden, sondern wo Sprache sichtbar gemacht wird. Sein Name bürgt dafür, ist eine Mahnung, nur nicht auf die Sprache zu vergessen.
Sowohl bei Jonke als auch Ihnen fällt die Musikalität der Sprache auf. Immer wieder wird vom Sound, vom Rhythmus, von der Tonalität Ihrer Texte gesprochen.

Was bedeutet Ihnen Musik?

Manchmal bin ich auf die Unmittelbarkeit von Musik in ihrer Wirkung fast eifersüchtig. Sie kann in vier Minuten eine Fülle von Wirklichkeit herstellen. Dafür brauche ich im Theater zweieinhalb Stunden! Als Kind habe ich Klavier, später Kirchenorgel gespielt, damit aber aufgehört, als ich zum Studium nach Wien ging. . . Musik als Begleiter eines einsamen Kindes am Land. . . Oder so. . .


Hören Sie Musik beim Schreiben?

Musik ist mir beim Arbeiten total wichtig! Für jedes Schauspiel gibt es eine eigene Playlist,einen eigenen Musikraum. Dafür suche ich mir Musikstücke, die mir beim Hören ein Gefühl der Atmosphäre des Textes, an dem ich arbeite, geben. Bei „Vor Sonnenaufgang“ war das beispielsweise die CD eines isländischen Komponisten, der eine Mozart-Sonate überschrieben hatte. Wenn dann mein Stück fertig ist, ist auch diese Musik zu Ende gehört, sie ist wie verloren für mich.