Zwanzig Ideen, Assoziationen und Bilder pro Akt, darunter macht es ein Stefan Herheim nicht. Der norwegische Regisseur, der oft in Österreich (allein viermal an der Grazer Oper) inszeniert hat, nie aber in der Bundeshauptstadt, gab sich als neuer Intendant des Theaters an der Wien gleich die erste Premiere im Ausweichquartier Museumsquartier. Leoš Janáčeks "Das schlaue Füchslein" ist ein typischer Herheim geworden. Zu den beiden Ebenen dieser merkwürdigen, ganz und gar nicht naiven Menschen- und Naturschau kommt noch eine dritte, in der das Genre Oper mit auf den Seziertisch gelegt wird. Das Füchslein ist ja nicht nur Projektionsfläche für eine unbeherrschbare Natur, für Sexualität und Freiheit, es steht hier auch für die Frau in der Oper: Herheim lässt den Arnold-Schoenberg-Chor in der Gestalt von zahlreichen klassischen Opern- und Ballettpaaren auftreten. Desdemona, Mimì, Violetta, Brünnhilde, Tosca, Cleopatra und all die anderen werden schließlich von ihren männlichen Partnern gemeuchelt und ein Mähdrescher mit Noten auf der Haspel zerkleinert die Leichen – der Wilderer Harašta (markant: Marcell Bakonyi) baut sich aus den Überresten ein neues Objekt der Begierde. Das sind Horrorelemente wie bei den Grimms, und überhaupt sind Märchen und Fabel, Gruselgeschichte und Sozialdrama in dieser Inszenierung eng verschlungen.

Herheims mehrschichtiges Spiel über Beziehungs- und Machtgefüge, über die Stärke von Kunst und Erfindung, über Triebe und den ewigen Kreislauf Natur verbraucht alle möglichen Bilder: Der Komponist (Ya-Chung Huang, der auch Dackel, Hahn, Mücke, Specht und den Schulmeister singt) ist ebenso anwesend wie eine Gruppe Femen-Demonstrantinnen, eine ganze Bühnenwerkstatt, eine Miniaturausgabe des Museumsquartiers sowie ein riesiges Herz, in das der Komponist am Ende eingeschlossen wird.
Alles ist immer Spiel und Ernst zugleich, absolut künstlich und doch von großer Lebensnähe. Dass dieses prall gefüllte Spiel nicht auseinanderbricht, dafür sorgt Herheims Fantasie, sein Instinkt für Effekte, das handwerkliche Können – und, als Allerwichtigstes, die Musikalität der Aufführung. Wie immer bei diesem Regisseur folgt das Geschehen dem Duktus der Musik. Seine Bilderflut erdrückt die Musik nicht, sie ist ein Produkt ihrer peniblen Lektüre.

Janáčeks "Füchslein" ist auch musikalisch ein Solitär. Die wunderschöne Nachromantik ist da noch stärker als in seinen anderen Opern ausgeprägt, Naturschilderungen und den typischen Sprechgesang lässt die Dirigentin Giedrė Šlekytė meist schön zur Geltung kommen, obwohl es im Graben bei den Wiener Symphonikern mitunter etwas sehr rumpelt, die sängerischen Niveaus von Mélissa Petit, Milan Siljanov und Jana Kurucová sind gut, aber keinesfalls aufregend.