Jean-Luc Godard, der 91 Jahre alt wurde, gehörte zu den bedeutendsten und eigenwilligsten Regisseuren Frankreichs. Während seine Gangstergeschichte "Außer Atem" und "Die Verachtung" über einen Drehbuchautor mit Brigitte Bardot und Michel Piccoli noch Handlungen im klassischen Sinn besitzen, bricht er ab Mitte der 1960er-Jahre in Filmen wie "Weekend" und "Die Chinesin" immer häufiger die Erzählstrukturen auf. Seine Geschichten werden fragmentarischer, Bilder und Szenen verlieren ihren inhaltlichen und zeitlichen Bezug zueinander.

Godard mit Michel Piccoli bei den Filmfestspielen von Cannes
Godard mit Michel Piccoli bei den Filmfestspielen von Cannes © AP

Seine Phase der totalen Abkehr von gängigen Gestaltungsformen läutete er mit "Die fröhliche Wissenschaft" ein. In dem gestalterischen und gedanklichen Kinoexperiment treffen sich Emile Rousseau, ein Nachfahre des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau, und die Tochter eines ermordeten kongolesischen Freiheitskämpfers. Sie diskutieren über die Unterdrückung der Gesellschaft und den Sinn von Bildern und Worten. Der Film wurde in der Zeit kurz vor den Studentenunruhen in Frankreich im Mai 1968 gedreht. Nach 1967 sprach Godard auch nicht mehr von Filmen, sondern von Bildern und Tönen. Im Jahr 2010 erhielt er den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk.
Geboren wurde er am 3. Dezember 1930 in Paris in eine protestantische bürgerliche Familie, die in Frankreich und der Schweiz lebte. Nach dem Schulbesuch in Nyon im Schweizer Kanton Waadt ging er nach der Scheidung seiner Eltern zurück nach Paris, wo er Ende der 1940er-Jahre die Nouvelle-Vague-Mitbegründer François Truffaut, Jacques Rivette und Eric Rohmer kennenlernte. Zusammen mit ihnen rief er die kritische Filmzeitschrift "Cahiers du Cinema" ins Leben. Godard war zweimal verheiratet. Beide Ehefrauen, Anna Karina und Anne Wiazemsky, spielten in mehreren seiner Filme mit. 

Seit Anfang der 1980er-Jahre hatte Godard zurückgezogen in der Schweiz in Rolle am Genfersee gelebt. Nur selten zeigt er sich in der Öffentlichkeit, und wenn, dann oft überraschend wie in Cannes, wo er seine Pressekonferenz zu "Bildbuch" via FaceTime abhielt. Im April dieses Jahres beantwortete er eineinhalb Stunden lang auf Instagram die Fragen von Studenten der Kunstschule in Lausanne. Und wie so oft trat er dabei mit Zigarre im Mund und zerzausten Haaren auf.