"Trockenes Laub sammelt sich auf der Schaufel". Es sind jene "feuilles mortes" - die "gestorbenen Blätter" - wie es im französischen Original dieses Chansons heißt, die vielleicht den Weg durch diese Tatort-Folge weisen. Aus dem französischen Original machte Johnny Mercer (1909 bis 1976) den Jazzstandard "Autumn leaves", der sich als Leitmotiv durch "Vier Jahre" zieht: "The autumn leaves of red and gold". Ein Song, der voller Melancholie von dem erzählt, was war und dem, was ist: Eine verblasste Liebe im Rückspiegel.

Aus dieser Rückspiegel-Perspektive wird der Tatort "Vier Jahre" erzählt: Höchst gelungen, basierend auf einem fantastischen Drehbuch von Wolfgang Stauch, erleben wir noch einmal jene unheilvolle Silvesternacht in der alles begann. Schauspieler Moritz Seitz (Thomas Heinze) und seine Frau Carolin Seitz (Nina Kronjäger) geben eine Party. Der ungebetene Gast Thore Bärwald (Max Hopp) schwimmt am Neujahrsmorgen 2018 tot im Pool. Moritz Seitz landet im Gefängnis. Vier Jahre später klopft Ole Stark (gespielt von Martin Feifel) an die Tür einer Polizeistation: "Ich möchte einen Mord gestehen, hier sitzt jemand, der nicht hierher gehört. Es ist fast vier Jahre her, aber besser spät als nie."

Das Spiel mit den verschiedenen Zeitebenen, die ineinanderfließen, das nahezu Traumwandlerische, gelingt in diesem Tatort perfekt. Regisseur Thorsten C. Fischer hat hier ganze Arbeit geleistet: Besser geht es nicht. Lange tappt man im Dunkeln, wie es sich wohl zugetragen haben könnte. Hauptkommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Hauptkommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär) müssen dabei ordentlich schürfen: Behrendt und Bär liefern eine großartige Performance - und plötzlich taucht da dieser Polizist Frank Heise (Florian Anderer) auf. Wer ist nun der Mörder? Der gerade aus der Haft entlassene Moritz Seitz, Ole Stark, der einen Mord gestanden hat, Caroline Seitz oder gar der Polizist Frank Heise. Dieser Heise ist es auch, der bei Caroline wohnt als ihr Mann Moritz aus dem Gefängnis kommt: Der Polizist und die jetzt als Kellnerin arbeitende Ex-Schauspielerin Seitz haben eine Beziehung begonnen.

Im Pool ist kein Wasser mehr, nur noch tote Blätter. Das ganze, verfaulte Zeugs hat niemand aufgeräumt. Im Pool verrotten die schlechten Gedanken, die bösen Erinnerungen und die zerplatzten Hoffnungen. Um diesen Pool herum ist die Geschichte aufgebaut, immer wieder kehrt die Geschichte dorthin zurück. Die beiden Hauptkommissare Ballauf und Schenk spielen ihr ganzes Können aus, um die Geheimnisse zu lüften.

Auf die Musik soll man hören, wer das tut, entschlüsselt viele Filmrätsel. Immer wieder kehrt das Song-Motiv von "Autumn Leaves" zurück: Viele Sänger und Sängerinnen habe diesen großen Song gesungen, mit seiner sanft-melancholischen Stimme ist vielleicht Nat King Cole eine der schönsten Interpretationen gelungen. Ziemlich zur Hälfte des Filmes untermalt "Autumn Leaves" jene Szene, als der vom Gefängnis zurückgekehrte Moritz Seitz in seinem "alten" Haus Dinge in Kisten räumt: Mit der Vergangenheit muss man aufräumen, aber auch mit der Gegenwart. Und so wird das Dickicht immer größer und die beiden Kommissare graben immer tiefer. Am Ende kommt die Wende: Dass es Nachbar Urs Keller (gespielt von Manfred Böll) war, der den Scheinwerfer ins Wasser schlug, in dem Bärwald schwamm und diesem so einen elektrischen Schlag versetzte, war gut versteckt. Dass der Polizist die Spuren so legte, dass man Moritz Seitz verurteilte, war ein kluger Schachzug des Drehbuchs. Und dann noch die falsch gelegte Fährte mit Ole Stark und Carolin Seitz.

Einen Tatort wie diesen muss man erst einmal wiederholen: Verworren, verwoben, ineinander verschachtelt, raffiniert und melancholisch. im französischen Original von "Autumn leaves" heißt es im Text:

"Doch das Leben trennt, die sich lieben,
ganz ohne Lärm, mit sanfter Hand
und das Meer kommt und löscht alle Spuren
geschiedener Paare im Sand."

Man hätte es wissen können, Moritz und Carolin Seitz werden kein Paar mehr. Aus der Traum vom alten Leben, auch das neue Leben funktioniert nicht mehr. Was bleibt, sind die alten, toten Blätter, die man erst aus dem Weg räumen muss.