Herr Dr. Bazil, Sie haben ein schwieriges Erbe übernommen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren gab es einen Rechnungshofbericht mit gleich 99 Empfehlungen, deftige politische Reaktionen inklusive eines "kleinen Untersuchungsausschusses" im Parlament und recht volatile Verhältnisse an der Spitze - zunächst mit einer interimistischen Leitung und dann mit einer Präsidentin, die nach zweieinhalb Monaten wieder Geschichte war. In welchem Zustand haben Sie das Bundesdenkmalamt (BDA) bei Ihrem Antritt am 1. Juni vorgefunden - und wie steht es heute, fast ein halbes Jahr später, da?

Christoph Bazil: Sie haben recht, das Bundesdenkmalamt hat keine sehr leichte Zeit gehabt. Man muss aber betonen, dass es trotz all dieser äußeren Umstände und trotz der zeitweiligen internen Führungsschwäche ein Amt mit sehr engagierten Kolleginnen und Kollegen ist. Wir haben ein hohes Arbeitsethos und auch eine positive Resonanz von außen. Wir erlassen rund 4.500 Bescheide im Jahr, und davon wird nur eine Handvoll in Beschwerde gezogen - obwohl wir eine der Bundesbehörden sind, die besonders tief ins Eigentum eingreifen. Wir gehen ja wirklich in die Häuser und die Wohnungen der Menschen hinein. Wir werden von der Zivilgesellschaft bei aller Kritik schon als eine Einrichtung gesehen, die ein wichtiges Thema bespielt und weiterentwickelt. Wir sind ja nicht der Nostalgie-Club der Republik. Wir behandeln zwar alte Sachen, beschäftigen uns aber damit, wie wir sie in die Zukunft bringen wollen.

Wenn Sie also nicht als Motivator tätig sein mussten. Was waren Ihre erste Schwerpunkte? Ihre Vorvorgängerin Barbara Neubauer hat etwa erklärt, dass die kritisierte Anmietung von Leiharbeitskräften deswegen vorgenommen werden musste, weil für die vorhandene Arbeit zu wenig reguläre Stellen zur Verfügung standen - und, dass die verlangte größere Serviceorientiertheit nicht ohne mehr Personalkapazitäten umsetzbar wäre.

Bazil: Schon im Zuge des Rechnungshofberichts wurde vieles verbessert und danach, als ich Leiter der für das Bundesdenkmalamt zuständigen Abteilung im Bundeskanzleramt war, habe ich gesagt, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes umzusetzen sind. Das ist auch geschehen. Wir hatten gerade erst eine Nachprüfung des Rechnungshofes, der sich noch einmal elf Maßnahmen angesehen hat. Wir werden die Ergebnisse zu Beginn des nächsten Jahres bekommen. Ich bin optimistisch, dass das, was getan werden konnte, auch getan wurde. Die Zahl der Mitarbeiter ist mit knapp unter 200 ziemlich konstant. In der Hofburg, im Arsenal und Mauerbach sind es an die 100, knapp über 90 sind in den Bundesländern tätig. Das Bundesdenkmalamt erfüllt seine Aufgaben. Es ist aber sicher so, dass wir mehr Ideen haben als Ressourcen. Besser so als umgekehrt.

Sie brauchen also nicht mehr Personal?

Bazil: Wenn wir klar kommunizieren können, WAS wir tun wollen, WIE wir es tun wollen, und dass das eine gute Sache ist, dann werden wir auch entsprechende Ressourcen bekommen. Das ist meine kleine Beamten-Erfahrung. Wenn ich immer nur sage, wir sind zu wenig, wir haben kein Geld und das Wetter ist schlecht, wird sich auch niemand für uns interessieren.

Es wurden ja etwa die Verfahrensdauern kritisiert, die ja wohl auch ressourcenabhängig sind.

Bazil: Da liegen wir, glaube ich, ganz gut. 94 Prozent unserer Verfahren dauern weniger als vier Monate, 97 Prozent weniger als sechs Monate. Wir haben in den vergangenen Monaten unsere internen Prozesse noch einmal durchgesehen, und ich muss sagen: Vieles läuft gut. Dennoch haben wir ein paar Pilotprojekte, wo wir versuchen, noch effizienter und serviceorientierter zu sein. Die Ergebnisse schauen wir uns Anfang des nächsten Jahres an.

Ein großes Thema des Rechnungshofes waren IT-Projekte, die sich endlos hinzogen und immer teurer wurden. Ist das noch immer eine Baustelle?

Kritisiert wurde die mangelnde Einheitlichkeit bei Unterschutzstellungen. Ist da noch Handlungsbedarf?

Bazil: Wenn man den Eindruck hat, dass wir nicht bundeseinheitlich vorgehen, besteht natürlich Handlungsbedarf. Es ist da aber schon einiges geschehen, und das verstärke ich jetzt weiter, dass Unterschutzstellungen zentral gesteuert erfolgen. Das heißt nicht, dass wir in Wien alles besser wissen - aber wir haben eine Planung von hier, in welchen Bereichen wir Schwerpunkte setzen. Es ist klar: Wir können Denkmalschutz letztlich auf Dauer nie gegen die Eigentümerinnen und Eigentümer führen. Sie müssen verstehen, worum es uns geht. Das müssen wir nach außen kommunizieren als Teil einer Strategie, Vielzahl, Vielfalt und Verteilung des österreichischen Kulturbestands zu sichern, wie es im Gesetz heißt. Die Strategie ist natürlich regional und lokal zu differenzieren. Trotzdem muss es einen gewissen Standard in ganz Österreich geben. Wichtig ist das Bewusstsein darüber, dass wir dort unter Schutz stellen, wo die Bedeutung ein bestimmtes hohes Level übersteigt. Bei 2 Millionen Gebäuden sind 38.000 Objekte unter Denkmalschutz nur ein Bruchteil. Das heißt aber bitte nicht, dass man alles andere abbrechen soll.

Es gab zuletzt eine Abbruchwelle bei Gründerzeitbauten in Wien. Besteht die Gefahr, dass Wien etwas Charakteristisches verloren geht?

Bazil: Ein sehr gutes Beispiel: Von den vielen Gründerzeithäusern hat das Bundesdenkmalamt nur einen sehr kleinen Teil unter Schutz gestellt. Flächendeckend Hernals und Ottakring unter Schutz zu stellen, wäre sicher nicht der Intention des Denkmalschutzgesetzes entsprechend. Es gibt eben eine gemeinsame Verantwortung von allen Gebietskörperschaften für die Erhaltung unseres kulturellen Erbes. Das Bundesdenkmalamt kann nicht die Flächenwidmungsbehörde von ganz Österreich sein. Da brauchen wir eine immer weiter zu verbessernde Zusammenarbeit von Behörden. Die Stadt Wien hat ja auch reagiert und die Voraussetzungen für Abbrüche verschärft.

Ein Areal von besonderem Augenmerk ist das Belvedere - vom Canaletto-Blick, der für das Weltkulturerbe der Wiener Innenstadt von Bedeutung ist, bis zu den großen Aufregungen, die es beim Umbau des Belvedere-Stöckls gegeben hat, wo eben ein Lokal eröffnet wurde. Jüngst hat Belvedere-Chefin Stella Rollig ihre Pläne einer unterirdischen Erweiterung des Belvederes vorgestellt. Was sagt das Bundesdenkmalamt dazu?

Bazil: Jetzt noch nichts, weil wir die Pläne auch nur aus den Medien kennen. Aber Stella Rollig wird sich sicher im Vorfeld mit uns absprechen, wenn sich diese Pläne konkretisieren. Dass das Belvedere eine der ganz bedeutenden Architekturen in Mitteleuropa ist, weiß sie natürlich ganz genau. Beim Belvedere-Stöckl war es so, dass die Eingriffe vorwiegend auf den Park bezogen stattgefunden haben - und da haben wir in Österreich die Regel, dass das Bundesdenkmalamt an sich nicht für Park- und Gartenanlagen zuständig ist. Das ist ein privater Garten. Aber das Projekt wurde archäologisch begleitet, und die Terrassierungen wurden beachtet.

Wie wünschen Sie sich, dass die Heumarkt-Diskussion ausgeht?

Bazil: Der Heumarkt ist ja weniger ein Denkmalschutz- als ein Welterbeproblem. Da liegt die Kompetenz beim Bundeskanzleramt, und es gibt eine von der Stadt Wien ausgerufene Nachdenkpause. Es wäre vernünftig, eine zeitgemäße Lösung zu haben, die vom Welterbekomitee akzeptiert werden kann und die die eindeutige Beschlusslage im Komitee reflektiert. Ich glaube, dass es für Wien und Österreich ganz wichtig ist, dass das historische Zentrum von Wien auf dieser Liste bleibt. Da haben wir als wohlhabendes UNESCO-Mitglied und als Kulturnation auch eine internationale Verantwortung. Aber natürlich ist es so, dass sich Städte weiterentwickeln. Ein gutes Beispiel dafür ist die Wiener Ringstraße. Heute würden wir wahrscheinlich die Stadtmauer erhalten. (schmunzelt)

Hoffen Sie darauf, dass das Bundesdenkmalamt im künftigen Regierungsprogramm auftaucht - oder fürchten Sie sich davor?

Bazil (lacht): Nachdem ich Optimist bin, hoffe ich darauf. Wenn wir genannt werden, werden wir sicherlich positiv genannt. Ich glaube, dass das, was wir hier leisten, so gut ist, dass es für kulturpolitisch Verantwortliche wert ist, sich um uns zu kümmern. Künftig hoffentlich noch mehr als in der Vergangenheit.

Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang von der Austria Presse Agentur.