Das war ja wohl höchste Zeit. 57 Jahre nach seiner mutmaßlichen Fertigstellung im Sommer 1962 hat Regisseur Christian StücklWolfgang Bauers absurdes Drama "Der Rüssel" am Akademietheater in Wien zur Uraufführung gebracht. Und lässt es dabei tüchtig krachen: Blitz und Donner bringen die Wände zum Wackeln, als in einem biederen Bergdorf ein nicht näher erklärter Ahnenzauber einen Elefanten gebiert. Der bringt nicht nur tropische Hitze mit, sondern bald auch die scheinbar natürliche Ordnung im Örtchen ins Wanken. Was vor allem den frommen Kaplan erzürnt, aber auch einen Dorfältesten, der auf die Liebste seines Enkels spitzt.

Jahrzehntelang galt das Stück als verschollen, vor wenigen Jahren wurde es im Nachlass eines Komponisten in Leibnitz entdeckt. Es stammt aus der Zeit, als Bauer (1941-2005) noch nicht "der Wolfi" war, der Grazer Theaterkönig und Bürgerschreck, dessen Stücke wie "Magic Afternoon" oder "Change" international aufgeführt wurden.

Dass der damals 21 Jahre alte Autor sich für das Theater des Absurden begeisterte, zeigt "Der Rüssel" ebenso wie den Umstand, dass Bauer seine vielzitierte Theaterpranke damals zwar schon geschickt, aber noch nicht hundertprozentig treffsicher einzusetzen wusste.

Herzhafter Theaterspaß

Durch Kürzungen und Stückls energische Inszenierung gerät auf der Bühne des Akademietheaters dieses Frühwerk aber doch noch zum herzhaften Theaterspaß. Kompromisslos steuert die Regie das an den Grenze von Tragödie und bäuerischem Schwank angesiedelte Werk in die Übersteigerung, mit Gusto trägt das Ensemble um Branko Samarovski, Barbara Petritsch, Stefanie Dvorak, Sebastian Wendelin, Markus Meyer, Peter Matic dick auf: da knirschen die großen, steifen Gesten des Amateurtheaters, das trieft das Pathos der Schmiere. Dass Bauer sich hier nicht, wie in seinen späteren Stücken, milieuspezifischer Slangs, sondern einer komisch überhöhten Tragödiensprache bedient, steigert den komischen Effekt. Detto, dass sich das Bergvölkchen, als es dank des prestige- und touristenträchtigen Elefanten vom rechten christlichen Glauben abfällt, plötzlich in grellfarbene Fransenkostüme hüllt, die aussehen wie frisch strickgelieselt.

Dass der Elefant in den Bergen Palmen zum Blühen, Schnecken zum Wachsen und Älpler zum Tanzen bringt, ist im Stück aber nur ein vorübergehender Effekt. Am Ende wird die Obrigkeit unbarmherzig zurückschlagen, in den Bergen werden die Geier über einer Kreuzigungsszene kreisen, und der fantastische sechsköpfige Männergesangsverein, der das Geschehen mit immer exotischeren Melodien und Trommelklang begleitete, wird wieder brav jodeln wie eh und je.

Fazit: Zwei kurzweilige Stunden lang macht sich "Der Rüssel" über soziale Hierarchien, über die Austauschbarkeit von Herrschaftssystemen, Idolatrie, Exotismus lustig. Das war sicher einmal unerhört und ist immer noch unterhaltsam und sorgt für langen, begeisterten Applaus. Und vielleicht trägt es ja dazu bei, dass auch eines der bekannteren, besseren Stücke von Bauer wieder einmal aus der Vitrine geholt, abgestaubt und auf die Bühne gestellt wird. Auch dafür, das zeigt dieser Abend, wär's eigentlich schon längst höchste Zeit.