Ein kolossales sprachliches Gesellschaftspanorma schuf Thomas Mann mit seinem Jahrhundertepos "Der Zauberberg". Hoch oben angesiedelt, realitätsfern, zeigt es eine Menschheit am Rande des sich auftuenenden Abgrundes in den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Regisseur Alexander Eisenach, ausgewiesener Experte und Spezialist für bühnentaugliche Roman-Adaptierungen, bleibt in seiner fast vierstündigen Version seinen Prinzipien treu. Er collagiert, er streut Zusatztexte ein, er reagiert assoziativ auf die Textvorlage, ohne Rücksicht auf inhaltliche Verluste. Innere und äußere Spannungen und Schwingungen sind sein Metier.

Der Realität entsprungen

Ein Wagnis, gewiss, das Puristen bestimmt verstört, eine Anmaßung, vielleicht. Aber diesfalls hat sich das Unterfangen in jeder Hinsicht gelohnt. Klug, raffiniert, ohne Scheu vor Klamauk, mit Abstechern in die Philosophie und Theologie, garniert mit Schlagergesang, reicht an giftigen Wortgefechten, zeigt Eisenach mit allen Mitteln, zu denen Theater fähig ist, einen bizarren Haufen der Verlorenen. Geht man nach dem Original, sind sie mehr als 100 Jahre alt, geht man nach der Deutung, könnten sie der Realität entsprungen sein.

Gipfelsieg

Zu erleben ist ein, wie es am Ende heißt, "Weltfest des Todes", optisch auf der häufig rotierendenDrehbühne  grandios durch eine Bilderflut unterstützt, zelebriert von einem großartigen Ensemble, das enorme Wandlungsfähigkeit beweist und die wohl schwierigste Aufgabe bravourös bewältigt - ein mächtiges, mit viel List und Hinterlist ausgestatettes Textmassiv ganz und gar eindrucksvoll zu erklimmen. Auch ein Gipfelsieg - jener der Schauspielkunst.