Sie leiten nun fast seit sechs Monaten das Musil-Institut. Wie haben Sie sich eingelebt?
ANKE BOSSE: Sehr gut, weil ich eigentlich schon lange hier lebe. Ich habe ja 1998 meinen Mann, den Kärntner Architekten Dietmar Kaden, kennengelernt. Übrigens im belgischen Namur. Dort hatte ich einen Lehrstuhl und habe eine von Bernd Liepold-Mosser konzipierte Handke-Wanderausstellung eingeladen, für die Dietmar den Aufbau gemacht hat. Damals hat es gefunkt, und so bin ich seit 1998 zwischen Namur und Klagenfurt gependelt und kenne seither die Kärntner Literatur- und Kulturszene. Das hilft mir jetzt sehr, denn es gibt nicht diesen Fallschirmspringer-Effekt: ankommen, niemanden kennen, alles ist neu.

Dafür wird am Musil-Institut einiges neu?
BOSSE: Ja, unter anderem entwickeln wir die neue Marke ‚Musil-Haus‘ und ein neues Leitsystem gemeinsam mit dem Musil-Museum, das ja auch hier im Haus untergebracht ist. Also: Außen und innen eine neue Beschilderung sowie vor dem Eingang einen Werbepylon in Form eines aufgeblätterten Buches.
Sie wollen das Haus auch in der Öffentlichkeit sichtbarer machen, haben Sie angekündigt. Gehört die Tagung „Literatur jetzt“, die morgen startet, da bereits dazu?
BOSSE: Die wurde in einer Zeit angestoßen, als ich noch gar nicht da war. Jetzt ist es unser erstes Gemeinschaftsprojekt, an dem alle Mitglieder des Instituts beteiligt sind. Es ist, denke ich, ein sehr attraktives Programm mit Schwerpunkt auf Clemens Setz und Lilian Faschinger. Sie wird auch am Freitag lesen, außerdem zeigen wir eine kleine Faschinger-Ausstellung, sogar mit einer Puch 800 (lacht). Dieses Kultmotorrad spielt ja in „Magdalena Sünderin“ eine zentrale Rolle.

Eine wichtige Säule des Musil-Instituts mit seinem Kärntner Literaturarchiv ist die Forschung. Was ist hier geplant?
BOSSE: Im Verlag Jung und Jung wird eine Gesamtausgabe der Werke Musils erscheinen, eine Leseausgabe, verantwortet von Walter Fanta. Den Auftakt machen wir im September mit dem „Mann ohne Eigenschaften“. Wir haben das in den letzten Monaten innerhalb der Musil-Community gestreut und hatten sehr viele positive Reaktionen. Speziell beim „Mann ohne Eigenschaften“ gibt es Handlungsbedarf, denn die heute käufliche Ausgabe ist völlig überaltert. Zudem planen wir eine Hybridform: Die Buchausgabe mit den Lesetexten, alles Weitere wie Kommentare, Manuskripte etc. soll es online geben. An „Musil Online“ kann immer weiter, auch interaktiv mit den Usern, gearbeitet werden.

Auch der Nachlass von Werner Kofler soll aufgearbeitet werden?
BOSSE: Es gibt aktuell zwei junge Kollegen, die an einer Ausgabe der Prosawerke Werner Koflers arbeiten. Ziel wird eine kommentierte Werner-Kofler-Ausgabe sein, die man auch in digitaler Form anbietet.
Wird das Internet auch für Archive immer wichtiger?
BOSSE: Selbstverständlich. Wir wollen unsere Bestände gerne online präsentieren, denn die Leute stolpern über unsere Schätze nur, wenn sie auch sichtbar glänzen.

Würde nicht der Vorlass von Josef Winkler, über dessen Ankauf immer wieder nachgedacht wird, besonders schön glänzen?
BOSSE: Josef Winkler ist ein Autor von internationalem Renommee, und von so einem Autor den Vorlass zu haben, wäre fantastisch. Aber das stemmen wir wohl nur, wenn sich mehrere Financiers zusammentun.

Wie ist überhaupt die finanzielle Situation?
BOSSE: Dadurch, dass wir ein Universitätsinstitut sind, nicht so schlimm wie bei den freien Kulturinitiativen. Denen steht ja das Wasser bis an den Hals. Wir sind so eine Art stabiles Mutterschiff, an dem literaturnahe Organisationen in diesen rauen Zeiten andocken können. Wir haben den Veranstaltungsraum, den wir kostenfrei zur Verfügung stellen können. Und wir sorgen für Sichtbarkeit und eine gewisse Stabilität in diesen finanziell schweren Zeiten. Das sehe ich auch als Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber der Literatur.

Sie haben gesagt, man müsse die Literatur aus dem Elfenbeinturm holen. Wie meinen Sie das?
BOSSE: Ich bin überzeugt davon, dass man sich vernetzen muss, nicht nur mit anderen Kunstformen wie Bildender Kunst, Musik, Film, Theater, sondern auch mit dem Tourismus. Hoteliers haben mir gesagt, wie sehr sie nach Broschüren mit Veranstaltungsterminen lechzen. Sie wollen auch Packages machen – warum nicht mit Literatur? Man muss nur an den Bachmann-Preis denken: Das ist ein Kronjuwel, um das uns die ganze Welt beneidet. Und um den Preis herum haben sich tolle Dinge entwickelt wie der Literaturkurs und vieles mehr. Das sollte Klagenfurt für das eigene Profil nutzen. Damit können wir glänzen.

INTERVIEW: MARIANNE FISCHER