Die Anzahl der von ihrer Arbeit Besessenen dürfte bei Filmregisseurinnen und -regisseuren besonders hoch sein. Der 1942 in München geborene Werner Herzog gilt seit jeher als Besessener. Als jemand, der dem Film alles unterordnet, der letztlich nur am Ergebnis interessiert ist und merkwürdigerweise genau dadurch auch das Gegenteil erreicht hat: Heute kennen wenige sein Meisterwerk „Fitzcarraldo“, aber viele wissen über die konfliktreichen Dreharbeiten im südamerikanischen Dschungel Bescheid.

Herzog drehte das Gros seiner besten Filme mit Schauspieler Klaus Kinski: Eine produktive Hassliebe zweier Künstler, die sich bekämpften, aber mit „Aguirre“,  „Fitzcarraldo“ und „Woyzeck“ dem deutschen Kino eine bis dahin kaum gekannte Intensität verliehen. Der Regisseur hatte seine große Zeit in den Siebzigern und Achtzigern als er originelles, mutiges Kunstkino schuf. „Jeder für sich und Gott gegen alle“, „Wo die grünen Ameisen träumen“ und „Auch Zwerge haben klein angefangen“ (alle ohne Kinski) sind bis heute gültig, manches wie „Nosferatu“ dagegen verblasst.

Herzog verlagerte sich allmählich auf eigenwillige Dokumentarfilme, machte bisweilen mittelgute Operninszenierungen und weitere Spielfilme. Wegen seiner angenehmen, süddeutsch gefärbten Stimme und seinem Akzent ist er in den USA als Sprecher gefragt, außerdem trat er vermehrt als Schriftsteller in Erscheinung. Er ist streitbar, gilt als schwieriger Charakter und steckt voller kreativer Einsichten. 1999 schrieb er: „Es gibt tiefere Schichten von Wahrheit im Kino, und es gibt so etwas wie eine poetische, ekstatische Wahrheit. Sie ist geheimnisvoll und flüchtig, und man kann sie nur durch Erfindung, Vorstellungskraft und Stilisierung erreichen.“