Der US-Republikaner Kevin McCarthy benötigte bei der Abstimmung zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses 218 Stimmen. In den ersten beiden Anläufen fielen 203 auf ihn – bei der dritten sogar nur noch 202. Nun geht das Drama weiter. Ein Fiasko nicht nur für ihn selbst, sondern auch ein Armutszeugnis für die in sich gespaltene Partei, in der sich längst Lager von Moderaten und Trumpisten gebildet haben.

Zufluchtsort für Ideologen und Extremisten

Wie erklärt man sich die Gegenstimmen? "In einer dramatischen Ablehnung seitens der Kollegen ist der Abgeordnete Kevin McCarthy am Dienstag in drei Abstimmungen damit gescheitert, sich die Wahl zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses zu sichern. Die Republikanische Partei war lange Zeit ein Zufluchtsort für Ideologen und Extremisten, die kein Interesse an einer kompetenten Regierung zu haben schienen – eine nihilistische Haltung, die der ehemalige Präsident Trump verkörperte", schreibt etwa die "Los Angeles Times".

McCarthy-Gegner Matt Gaetz
McCarthy-Gegner Matt Gaetz © (c) AP (J. Scott Applewhite)

Für die Rechtsaußen-Rabauken der Republikaner-Partei tritt McCarthy nicht entschlossen genug gegen Präsident Joe Bidens Demokraten auf. Dass der republikanische Kandidat bei der Wahl zum Sprecher des US-Repräsentantenhauses krachend scheiterte, hat er der tiefen Spaltung und seiner Partei, aber auch seinen erklärten Feinden zu "verdanken": McCarthy-Gegner Matt Gaetz etwa sagte dem Fernsehsender PBS: "Wenn man den Sumpf austrocknen will, kann man damit nicht den größten Alligator beauftragen."

McCarthy-Gegner Scott Perry (Mitte)
McCarthy-Gegner Scott Perry (Mitte) © (c) AP (J. Scott Applewhite)

Scott Perry, der republikanische Abgeordnete und Vorsitzende der ultrakonservativen Vereinigung Freedom Caucus, schrieb auf Twitter, McCarthy habe in den Gesprächen zu viele Forderungen seiner Gruppe abgelehnt. McCarthy hätte die Chance gehabt, Vorsitzender zu werden. "Er hat sie zurückgewiesen." Der republikanische Ex-Abgeordnete Charlie Dent forderte gegenüber dem Sender CNN, der bereits mehrfach gescheiterte McCarthy müsse für einen anderen Republikaner Platz machen: "Das muss von seinen Unterstützern kommen. Sie müssen ihn überzeugen, zurückzuziehen. Das könnte aber einige Tage dauern."

Schweigen zur Gewalt in US-Kapitol

McCarthy wird oft angelastet, dass er weder Trumpisten noch Moderate wirklich zufriedenstellen kann und will. Kurz nach der Kapitol-Erstürmung hatte McCarthy noch öffentlich gesagt, Trump trage "Verantwortung" für den Angriff auf den Kongress. Dann aber vollzog er - wie viele Republikaner - eine Kehrtwende, basierend auf der Erkenntnis, dass Trump das Idol der rechten Wählerbasis bleiben wird. So hatte er im Dezember im US-Kapitol eine allzu blasse Rede gehalten: Dabei hatte er mit keinem Wort den blutigen Sturm auf das Herzstück der US-Demokratie, bei dem im Jänner 2021 insgesamt 138 Polizisten verletzt wurden und fünf Menschen starben, mit keinem Wort erwähnt oder verurteilt.

McCarthy-Gegner Bob Good
McCarthy-Gegner Bob Good © (c) AP (Andrew Harnik)

Bob Good, ein Abgeordneter aus dem US-Bundesstaat Virginia, ist einer der lautesten Gegner McCarthys. Vor dem aktuellen Fiasko ließ er bereits wissen: "Wir müssen einen Sprecher wählen, der eine wirklich konservative politische Agenda verfolgt." Es gelte, die "Tyrannei der Regierung" zu bekämpfen und auch innerhalb der Republikaner ein "System zu besiegen, das den Konservativen feindlich gesinnt ist", so Good.