Nördlich der Hauptstadt Argentiniens, Buenos Aires, liegt die heute wohl bekannteste Gated Community des südamerikanischen Landes: Das Nordelta ist eine abgeriegelte Wohnsidlung mit strengen Zugangskontrollen und eigener Infrastruktur für Handel und Dienstleistungen, zur Bandbreite gehören unter anderem auch Schwimmbäder, Fußball- und Tennisplätze und Saunen. Inmitten der idyllischen Seen- und Bachlandschaft siedeln sich hier seit 1999 jene Menschen an, die es sich leisten können. In letzter Zeit erfährt die Gegend aber auch immer größeren Zuspruch aus dem Tierreich, denn seit ein paar Wochen haben die Bewohner der Luxussiedlung neue Nachbarn: Capybaras, die größten heute noch lebende Nagetiere.

Ausgewachsene Capybaras (oder Wasserschweine) werden bis zu 1,3 Meter lang, 60 Centimeter hoch und wiegen bis zu 65 Kilogramm. Die Nachbarschaftsbeziehung zwischen Mensch und Tier ist ambivalent. Die Gated Community befindet sich in einem Sumpfgebiet und damit im Lebensraum der Tiere, schon in der Vergangenheit wurde das Nordelta-Projekt dafür kritisiert, in die Feuchtgebiete des Paraná-Flusses einzudringen. Nun sind es die Nager, die als "Eindringlinge" angesehen werden. In Scharen würden sie das Gelände heimsuchen und dabei Rasenflächen zerstören, Hunde beißen und Verkehrsunfälle verursachen. "Sie zerstören nicht nur Gärten, sondern auch ihre Exkremente sind zu einem Problem geworden", sagte ein Anrainer gegenüber der Tageszeitung "La Nación".

Debatte über Umwelt und Ungleichheit

Wie der britische Guardian berichtet, hätten einige erzürnte (menschliche) Bewohner sogar ihre Jagdgewehre hervorgeholt, wurden aber von der Naturschutzbehörde mit der Ansage, man dürfe sich nicht "allzu heftig wehren", zurückgepfiffen. Während die Anzahl der Tiere von jetzt 400 Stück in den kommenden zwei Jahren auf 3.500 ansteigen könnte, nimmt auch der Unmut in der Community zu. Die "Invasion" der Riesennager wurde längst zum Politikum, im polarisierten Argentinien diskutiert man dank der Wasserschweine nun über Umwelt und Ungleichheit.

Einerseits ortet man eine Verdrehung der Tatsachen, der Ökologe Enrique Viale wehrt sich gegen das Bild der Nager als Eindringlinge: "Es ist genau andersherum: Nordelta ist in das Ökosystem der Capybaras eingedrungen. Reiche Immobilienentwickler, die von der Regierung unterstützt werden, müssen die Natur zerstören, um ihren Kunden den Traum vom Leben in der Wildnis zu verkaufen – denn die Menschen, die diese Häuser kaufen, wollen Natur, aber ohne Moskitos, Schlangen oder Wasserschweine."

Andererseits prophezeien Peronisten, Anhänger einer politisch-populistischen Bewegung in Argentinien, einen Klassenkampf. Sie sehen das Nordelta als Enklave der argentinischen Oberschicht, welche das gemeine Volk ausgrenzen will. In sozialen Netzwerken werden die Nager mit Augenzwinkern als dessen Vorhut dargestellt.