"Wir sind ein Land, das gemeinsam gegen eine Pandemie kämpft, um Leben zu retten und uns gegenseitig zu helfen, einen besseren Tag zu haben", sagte Premier Justin Trudeau am Montag. "Aber gestern wurden wir aus dieser gemeinsamen Anstrengung herausgerissen von der sinnlosen Gewalt und der Tragödie in Nova Scotia." Das ganze Ausmaß des mutmaßlichen Amoklaufs eines 51 Jahre alten Tatverdächtigen sei noch nicht abzusehen, es würden noch mehr Opfer befürchtet, hieß es von den Ermittlern. 18 Opfer sowie der tote Amokläufer waren am Montag bestätigt, Polizeiermittler Chris Leather sprach bei einer Pressekonferenz allerdings auch davon, dass es "mehr als 19 Tote" gebe. Der Vorfall wäre damit eine der schlimmsten derartige Gewalttaten in der Geschichte des Landes. Unter den Opfern ist eine Polizistin mit 23 Dienstjahren.
"Zwei Kinder haben ihre Mutter verloren. Ein Ehemann hat seine Frau verloren. Eltern haben ihre Tochter verloren, und unzählige andere haben eine fantastische Freundin und Kollegin verloren", sagte der stellvertretende Polizeichef Lee Bergerman.
Der 51-jährige Täter war am Sonntagmittag nach einer langen Verfolgungsjagd an einer Tankstelle in dem Ort Enfield von der Polizei gestellt worden. Er wurde dabei getötet, wie Polizeiermittler Leather sagte. Die Ermittlungen in diesem "tragischen Vorfall" befänden sich in einer frühen Phase. Auf einen Schlag habe sich das Leben vieler Familien und Opfer für immer verändert. Sichtlich betroffen sprach er von einer "chaotischen" Szene, die sich den Polizisten geboten habe.
Per Notruf hatte die Royal Canadian Mounted Police Hinweise auf einen bewaffneten Angreifer in der Ortschaft Portapique rund 130 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Halifax erhalten. In einem Haus und auf dem umliegenden Grundstück hätten sie mehrere Leichen entdeckt - von dem Täter keine Spur.
Dies führte zu einer zwölfstündigen Verbrecherjagd durch Nova Scotia. Opfer seien an mehreren Tatorten in der Atlantik-Provinz gefunden worden. An einigen Stellen seien Feuer auf Grundstücken gelegt worden. Laut Radio Canada zog sich die Verfolgungsjagd über mehr als 100 Kilometer hin.
Zum Motiv des Schützen machten die Ermittler zunächst keine Angaben. Leather zufolge deutet vieles darauf hin, dass der tatverdächtige Mann das Blutbad plante und dabei auch Menschen tötete, die er nicht kannte. Kanadas Polizeichefin Brenda Lucki sagte, der Attentäter könnte möglicherweise anfänglich ein Motiv gehabt haben, das sich dann aber in "Zufälligkeit" gewandelt habe. "Unsere Ermittlungen werden das zeigen. Wir wissen es nicht sicher und wir werden viel Arbeit leisten müssen, um sein Motiv herauszufinden."
Augenzeugen berichteten von heulenden Sirenen, Schüssen und anderen Schreckensmomenten. Die Polizei forderte Anrainer auf, in ihren Häusern zu bleiben und die Türen abzuschließen. Die Behörde warnte vor einem Schützen, der möglicherweise eine Polizeiuniform trage und mit einem Fahrzeug unterwegs sei, das einem Streifenwagen gleiche. Leather bestätigte später, dass der Mann tatsächlich versucht habe, sich als Polizist zu tarnen. Laut Radio Canada benutzte der Mann bei seiner Flucht mehrere Autos, darunter auch ein Polizeifahrzeug.
Anders als im Nachbarland USA sind die Waffengesetze in Kanada vergleichsweise streng. Der zuvor blutigste Amoklauf hatte sich in Kanada 1989 ereignet, als der 25-jährige Marc Lepine an einer Hochschule in Montreal 14 Frauen erschoss und 13 weitere Menschen verletzte, bevor er sich selbst das Leben nahm. In einem Schreiben hatte er seinen Hass auf Feministinnen als Motiv genannt.