Nordkoreas Militär hat nach südkoreanischen Angaben nahe der umstrittenen Seegrenze zwischen den beiden verfeindeten Staaten mehr als 200 Artilleriegeschosse abgefeuert. Die Geschosse seien nördlich der Seegrenzlinie ins Gelbe Meer gefallen, teilte der Generalstab in Südkorea am Freitag mit. Die Granaten hätten keine Schäden angerichtet. Südkorea ordnete als Vorsichtsmaßnahme die Evakuierung der grenznahen Insel Yeonpyeong an.

Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap hatte zuvor berichtet, das Militär habe die Bewohner von Yeonpyeong aufgefordert, sich als Vorsichtsmaßnahme in Schutzräume zu begeben. Die Insel vor der Westküste war 2010 Ziel eines Angriffs der nordkoreanischen Artillerie gewesen. Vier Menschen wurden damals getötet.

Derzeit verschärfen sich die Spannungen wieder auf der koreanischen Halbinsel. Laut Yonhap hatten die Streitkräfte Südkoreas und der USA am Donnerstag nahe der Grenze zu Nordkorea ebenfalls eine Artillerieübung begonnen.

Das Gebiet um die Seegrenze ist in der Vergangenheit wiederholt Schauplatz von Gefechten zwischen Kriegsschiffen beider Länder gewesen. Die sogenannte Nördliche Grenzlinie (NLL) wird von Nordkorea nicht anerkannt. Die Grenzlinie wurde nach dem Korea-Krieg (1950-53) einseitig von einem UN-Kommando gezogen, um Feindseligkeiten zwischen beiden Seiten zu verhindern.

Präventive Maßnahme

Es handle sich um eine „präventive Maßnahme“. Nordkoreanische Staatsmedien hatten zuvor gemeldet, Machthaber Kim Jong-un habe bei einem Fabrikbesuch zu einer Ausweitung der Produktion von Raketenwerfern aufgerufen - in Vorbereitung einer „militärischen Machtprobe“ mit Südkorea und den USA.

Der Aufruf Kims erfolgte bei einem Fabrikbesuch, wie die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am Freitag meldete.
Kurz zuvor hatte die US-Regierung mitgeteilt, Nordkorea habe kürzlich ballistische Raketen und Raketenwerfer an Russland geliefert, von denen einige bei den jüngsten Angriffen auf die Ukraine eingesetzt worden seien.

Raketen an Russland geliefert

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, sagte am Donnerstag, einige der Raketen und Raketenwerfer seien bei Angriffen am 30. Dezember und 2. Jänner eingesetzt worden. Kirby
nannte dies eine „bedeutsame und Besorgnis erregende Eskalation“ im Ukraine-Konflikt.

Die USA und ihre Verbündeten würden die Angelegenheit nun im UN-Sicherheitsrat auf den Tisch bringen, kündigte Kirby an. Die
nordkoreanischen Waffenlieferungen an Russland stellten eine Verletzung der gegen das ostasiatische Land verhängten UN-Sanktionen dar, betonte er.

Laut Kirby wurde eine der nordkoreanischen Raketen am 30. Dezember auf die Südukraine abgefeuert. Das Geschoss sei in einem freien Feld in der Region Saporischschja gelandet. Am 2. Jänner hätten die russischen Streitkräfte gleich „mehrere“ nordkoreanische Raketen bei massiven Luftangriffen eingesetzt.

Mehr als 1000 Container geliefert

Die USA hatten bereits in den vergangenen Monaten von nordkoreanischen Rüstungslieferungen an Russland berichtet. Im Oktober
teilte Kirby mit, dass Nordkorea „mehr als 1.000 Container“ mit militärischer Ausrüstung und Munition für den Krieg gegen die Ukraine geliefert habe. Im Gegenzug erwarte das international isolierte Nordkorea Rüstungs- und Technologielieferungen von Russland, sagte Kirby damals.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un war im September mit Kreml-Chef Wladimir Putin im Fernen Osten Russlands zusammengetroffen. Russland verbraucht in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine riesige Mengen an Waffen und Munition und kommt Experten zufolge mit deren Produktion im eigenen Land nicht hinterher.