Welche Beschwerden weisen grundsätzlich darauf hin, dass es sich um eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises handeln könnte?
Dr. Mathias Ausserwinkler:
Typischerweise treten Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates auf. Häufige Symptome sind beispielsweise schmerzhaft geschwollene Gelenke oder muskuläre Krankheitszeichen.

Dr. Mathias Ausserwinkler, MSc, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Rheumatologie. Er ist Oberarzt am Elisabethinen Krankenhaus in Klagenfurt und hat eine Ordination in Villach.
Dr. Mathias Ausserwinkler, MSc, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Rheumatologie. Er ist Oberarzt am Elisabethinen Krankenhaus in Klagenfurt und hat eine Ordination in Villach. © KK

Welche Erkrankungen aus diesem Bereich sind in Ihrer Praxis am häufigsten?
Die häufigste chronisch-entzündliche Gelenkserkrankung in unseren Breitengraden ist die Rheumatoide Arthritis. Danach folgen entzündliche Wirbelsäulenerkrankungen, welche früher auch als Morbus Bechterew bezeichnet wurden, und die Psoriasis-Arthritis, auch Schuppenflechte-Rheuma genannt. Es gibt auch rheumatologische Krankheitsbilder, bei denen das Bindegewebe angegriffen wird. Hier ist der bekannteste Vertreter der Systemische Lupus erythematodes.

Was ist für die breite Öffentlichkeit wichtig über Rheuma zu wissen? Haben diese Erkrankungen eine erbliche Komponente, auf die man aufmerksam machen sollte?
Die klassischen rheumatischen Erkrankungen sind Autoimmunerkrankungen. Das heißt, dass das eigene Immunsystem fehlgeleitet wird und körpereigene Strukturen angreift. Es fällt zwar auf, dass in Familien gewisse Autoimmunerkrankungen gehäuft vorkommen, eine direkte Vererbung wie bei genetischen Erkrankungen liegt jedoch nicht vor.

Kann man mit der Ernährung die Aktivität der Krankheit beeinflussen? Gibt es Nahrungsmittel, die angeraten sind, und solche, die man als Betroffener weglassen sollte?
Das Thema Ernährung ist für Rheumapatienten ein sehr wichtiges und entsprechend viele, meist sehr unterschiedliche Empfehlungen werden regelmäßig postuliert. In wissenschaftlichen Studien konnte sich bis heute aber noch keine isolierte Diät als protektiv erweisen. Ich empfehle meinen Patienten gerne, verstärkt auf regionales Gemüse und Fisch zu setzen und Süßspeisen sowie zu häufigen Fleischkonsum zu meiden.

Stimmt es, dass es rund 400 Krankheiten gibt, die man im Volksmund als Rheuma bezeichnet? Was haben all diese Krankheiten gemeinsam?
400 Krankheiten fallen mir spontan nicht ein. Was aber sicherlich stimmt ist, dass die Symptomkomplexe sehr unterschiedlich ausfallen können und auch andere Erkrankungen, allen voran die Arthrosen oder auch die Gicht, im Volksmund gerne als Rheuma bezeichnet werden. Bei Arthrosen liegen degenerative Veränderungen, also Abnützungen, vor. Bei der Gicht handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung. Harnsäurekristalle lagern sich in den Gelenken ab und quälen die Betroffenen.

Man unterscheidet entzündliches und nicht entzündliches Rheuma. Reden wir über die entzündliche Form, die zu den Autoimmunerkrankungen zählt: Was ist hierbei wichtig zu wissen und wie wird behandelt?
Das große Problem ist, dass sich die Antikörper, die normalerweise von unserem Immunsystem eingesetzt werden, um Keime zu bekämpfen, gegen den eigenen Körper richten. Warum das so ist, ist immer noch nicht gänzlich geklärt, die wissenschaftliche Forschung liefert uns aber regelmäßig neue Erkenntnisse. Wir wissen aber sehr genau, welche Botenstoffe die unerwünschten Entzündungen anheizen. Dies wird therapeutisch genützt, indem man diese Botenstoffe direkt oder indirekt hemmt.

Bewegung, Ernährung, Lebensstilfaktoren wie Rauchen: Was davon wirkt sich wie auf rheumatische Erkrankungen aus? Wozu raten Sie Ihren Patienten?
Ich bin sehr froh, dass das von Ihnen angesprochen wird, weil es ein so wichtiger Punkt ist. Es gibt wenige wirklich anerkannte Risikofaktoren für rheumatologische Erkrankungen. Der Bewegungsmangel und das Rauchen zählen jedoch dazu, dies ist durch mehrere Studien gesichert.

Man hört immer wieder, dass Rheumakranke das Wetter bzw. Wetterumschwünge spüren. Können Sie das aus Ihrer Praxis bestätigen? Was weiß man aus wissenschaftlicher Sicht?
Auch wenn es hier nur wenige kleine wissenschaftliche Untersuchungen gibt, ist meiner Meinung nach schon was dran. Es berichten wirklich viele Patienten, dass sie Wetterumschwünge negativ wahrnehmen würden. 

Viele Patienten berichten, dass sie Wetterumschwünge negativ wahrnehmen  
Viele Patienten berichten, dass sie Wetterumschwünge negativ wahrnehmen   © RFBSIP

Hat das Wetter, z. B. feuchtkalte Witterung, einen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen oder zumindest das subjektive Empfinden?  Hier gilt Ähnliches wie bei der vorangegangenen Frage. Vor allem Patienten mit degenerativen Gelenkerkrankungen empfinden das kalte und feuchte Wetter oft als sehr unangenehm. Auch Patienten mit Schuppenflechten-Rheuma berichten, dass sich ihre Symptome mehrheitlich im wärmeren Klima verbessern. Am amerikanischen Rheumakongress wurden hier ganz eindrückliche Fallberichte präsentiert, die zeigten, dass betroffene Patienten nicht selten von den nördlichen US-Bundesstaaten in die südlichen ziehen.

Nehmen wir als ein Beispiel für rheumatische Erkrankungen die Rheumatoide Arthritis. In Österreich leiden rund 80.000 Menschen an dieser Krankheit. Wie kann man diesen Menschen medizinisch helfen?
Mit den modernen Therapien kann man nicht nur Gelenkdestruktionen verhindern, sondern auch das Risiko für Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Herzerkrankungen, Thrombosen oder Osteoporose signifikant verringern.
Man sieht aus sehr vielen Daten, dass die Lebenserwartung der Rheumapatienten steigt, seit es die Biologika-Therapien gibt, da man die chronische systemische Entzündung in den Griff bekommt und die Gabe von Kortison-Präparaten stark reduzieren kann. Die noch moderneren JAK-Inhibitoren bringen eine zusätzliche wichtige Therapieoption für Patienten und Ärzte.

Typische Erstsymptome sind Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates
Typische Erstsymptome sind Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates © kieferpix

Ist Rheuma eine Erkrankung des Alters?
Definitiv nein. Leider gibt es Formen des Rheumas, die bereits im Kinder- und Jugendalter beginnen, und auch bei Erwachsenen können rheumatische Erkrankungen in wirklich allen Altersgruppen auftreten.

Entstanden in Kooperation mit dem Unternehmen AbbVie.