Hunderte Lehrstellen, die nicht besetzt werden können, Nachwuchsprobleme in Betrieben und ein sich immer stärker zuspitzender Fachkräftemangel – die vergangenen Jahre waren für Unternehmer vor allem von Herausforderungen dieses Zuschnitts geprägt. Noch vor einem Jahr – Anfang Mai 2019 – standen österreichweit 6000 sofort verfügbare Lehrstellen lediglich 5400 Lehrstellensuchenden gegenüber.

Lehrstellenmarkt eingebrochen

Die Corona-Krise und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Verwerfungen haben dieses Bild schlagartig ins Gegenteil verkehrt, wie die aktuellen Arbeitsmarktdaten zeigen. Laut AMS-Zahlen sind die verfügbaren Lehrplätze in Österreich um fast ein Viertel auf 4561 eingebrochen – während 8366 Jugendliche auf der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz sind, ein Plus von 54,7 Prozent.

Viel zu wenig offene Lehrstellen in Kärnten

Die Krise hat den Lehrstellenmarkt auch in Kärnten erfasst. Hier ist die Zahl der offenen Lehrstellen ebenfalls stark zurückgegangen. Für 603 Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen, stehen in Kärnten laut AMS aktuell nur 317 offene Lehrstellen zur Verfügung. „Die Kärntner Industrie steht zu ihrer Verantwortung der Ausbildung der Lehrlinge“, beteuert IV-Präsident Timo Springer, der mit Nachholeffekt bis Herbst rechnet.

Doch nicht nur die Lehrstellensuche ist schwierig. Wegen der Corona-Schließung der Schulen konnten viele Lehrlinge ihre Lehrabschlussprüfung noch nicht absolvieren. „Für die Betroffenen ist das natürlich sehr unangenehm“, berichtet Marco Riepl, Leiter der Lehrwerkstätte bei Kostwein Maschinenbau, wo 75 Lehrlinge ausgebildet werden. „Immer mit Abstand und Hygiene oder mit Webinaren im Homeschooling“, berichtet Riepl.

Berufsschule via Videokonferenz

„Maske tragen, Hände waschen, das gehört jetzt alles dazu“, schildert Anna Sonnberger den Lehrlingsalltag bei ihrer Ausbildung zur Prozesstechnikerin. Die engagierte Sprecherin des Jugendvertrauensrates ist eine von 14 weiblichen Lehrlingen, die bei Kostwein in einem Technikberuf ausgebildet werden. „Mir hat schon in der HTL die Praxis gut gefallen“, erzählt Anna Sonnberger über ihre Technik-Leidenschaft, an der sie im dritten Lehrjahr nun in Kurzarbeit feilt. Voraussichtlich bis 4. Juni ist auch noch die Berufsschule geschlossen. „Aber der Unterricht zu Hause über Plattformen und Videokonferenzen funktioniert gut.“

Nun bereitet Ausbildungsleiter Riepl auch die bevorstehenden Aufnahmeverfahren unter großen Schutzmaßnahmen vor. Bei Kostwein Maschinenbau ist der Bedarf nach Lehrlingen ungebrochen hoch. „Mit formloser Bewerbung, Lebenslauf und Zeugnis ist man dabei“, so Riepl. Burschen und Mächen wird Ausbildung zu Prozesstechnikern, Maschinenbautechnikern, Mechatronikern angeboten.

Lehre mit Matura und Studium

Kärntens Industrieleitbetriebe sind Flaggschiffe auch in der Lehrlingsausbildung, und das auch mit Angeboten für Lehre nicht nur mit Matura, sondern auch in Kombination mit einem Studium. Ab Herbst bieten Infineon in Villach, Flex in Althofen und RHI Magnesita in Radenthein eine Lehre in Prozess- und Elektrotechnik in Kombination mit dem Studium Systems Engineering an der Fachhochschule in Villach an. Initiator dieses neuen Ausbildungszweiges ist Josef Stocker, Leiter der Fachberufsschule 2 in Villach. Und auch die Industriellenvereinigung ist mit im Boot.

Die Bewerbungsverfahren für diese Ausbildung sollten im Mai eigentlich schon abgeschlossen sein. Aufgrund der Corona-Krise hat sich aber auch hier alles nach hinten verschoben. Bei Flex in Althofen wurde die Bewerbungsfrist bis Ende Mai bzw. Anfang Juni verlängert.
Über die Durchführung der Bewerbungsgespräche hat man sich schon Gedanken gemacht, konkrete Richtlinien wurden erarbeitet, sagt Flex-Chef Erich Dörflinger. So wird bei der Ankunft der Bewerber kontaktlos Fieber gemessen. Für alle Besucher sowie die Mitarbeiter von Flex gibt es Mundschutzmasken, die Hände müssen verpflichtend desinfiziert werden. Beim Gespräch selber, so Dörflinger, werde natürlich der Abstand von 1,5 Metern eingehalten. Grundsätzlich sei man aber flexibel, und bei Bedarf könnten Bewerbungsgespräche über Videochat durchgeführt werden.

Auch bei Infineon beginnen erst jetzt verzögert die ersten Auswahlverfahren, sagt Vorstand Thomas Reisinger. Aktuell gäbe es 25 Bewerbungen, davon 50 Prozent von Frauen. Mindestens fünf Lehrlinge sollen im Format „Lehre mit Studium“ ausgebildet werden. Bis Ende Juni sind Bewerbungen noch möglich. Eignungstests finden in Kleingruppen mit Schutzmaßnahmen wie Abstand, Masken und Lüften statt. Auch Einzelgespräche mit den Bewerbern sind geplant.