Das 70-Jahr-Jubiläum steht unter dem Schatten der  Konjunkturschwäche. Der Kaufkraftverlust hat die Handelsumsätze im ersten Halbjahr um 3,4 Prozent einbrechen lassen. Liegen Sie mit ihrem Sortiment noch richtig?
HILDEBRAND: Ich gehe davon aus, dass bei der Hälfte der Bevölkerung am Ende des Monats Ebbe in der Tasche ist, ja. Aber wir profitieren von Inflationskäufen. Liquide Kunden kaufen Wertigeres. Unser Geschäftsjahr, das im August endete, war eine Punktlandung, was das Budget betrifft. Wir haben unsere Kunden also richtig eingeschätzt, lagen auf Plan, der freilich unter dem Vorjahr lag.

Hildebrand, gebürtiger Klagenfurter, in der Betten Reiter-Filiale in Klagenfurt: "Je nachhaltiger, desto erfolgreicher"
Hildebrand, gebürtiger Klagenfurter, in der Betten Reiter-Filiale in Klagenfurt: "Je nachhaltiger, desto erfolgreicher" © Thomas Hude

Betten Reiter hat 18 Filialen, davon zwei in Kärnten und zwei in der Steiermark. Expansionslust?
HILDEBRAND: Unsere Investitionen haben wir auf Eis gelegt. Außer, es ergibt sich eine Superrosine als Standort. Aber wir investieren in die Atmosphäre der Filialen und in die Verkleinerung unseres CO2-Fußabdruckes, den wir seit 2021 um 23 Prozent reduziert haben. Derzeit beträgt er 1720 Tonnen CO2. Wir installieren Wärmepumpen, stellen auf Fernwärme um, reduzieren unseren Papierverbrauch: Allein innerhalb eines Jahres haben wir tonnenweise Papier eingespart. Seit 2007 sind wir Fairtrade-zertifiziert. Wir reduzieren Plastikverpackungen - gerade bei Bettwäsche. Unsere Daunendecken sind mit dem Downpass gesiegelt: keine Zwangsfütterung, keine Lebend-Rupfung. Wir haben vegane Handtücher im Sortiment und sogar kompostierbare. Sie zersetzen sich vollständig. Für mich gilt: Je nachhaltiger, desto erfolgreicher. Allerdings sollte der Preisaufschlag im einstelligen Prozentbereich bleiben, sonst machen die Kunden nicht mit. Mit Nachhaltigkeit meine ich übrigens auch, dass man Krisen überwindet, Eigenkapital aufbaut.Wie steht es mit dem Ihren?
HILDEBRAND: Es ist exzellent und war es auch schon vor Corona, woraus wir dank unserer historisch hohen Liquidität gestärkt hervorgegangen sind. Der Betrieb ist so gesund wie nie. Er gehört zwei Stiftungen, die größere davon mir und meiner Frau, die eine geborene Reiter ist.

Wie stehen Sie zu CO2-Steuern?
HILDEBRAND: Finde ich gut, aber zweckgebunden und nicht zum Stopfen von Löchern.

Klimaklebern?
HILDEBRAND: Lassen Sie es mich so formulieren: Es gibt auch ein Recht auf friedliche Berufsausübung. Das ist auch ein Grundrecht.

Regionalität...
HILDEBRAND: ...ist das Um und Auf, weswegen wir 130.000 Pölster und Decken pro Jahr in unserer eigenen Manufaktur fertigen. Gerade haben wir die Emissionen der Vorprodukte unserer Manufaktor erfasst. Ergebnis: Diese vorgelagerten Emissionen sind höher als die unserer ganzen Firma!

Blick in eine Betten Reiter-Filiale: "Trends, die der Bekleidung zeitlich hinterher hinken"
Blick in eine Betten Reiter-Filiale: "Trends, die der Bekleidung zeitlich hinterher hinken" © Betten Reiter

Sie haben vor neun Jahren digitale Preisschilder eingeführt. Wie wichtig ist Digitalisierung in ihrem doch sehr analogen, haptischen Geschäft?
HILDEBRAND: Bei den Schildern geht es darum, nicht so viele Preisschilder picken zu müssen. Der Preis findet quasi das Produkt. Das macht uns unabhängiger und unsere Kunden auch, wenn gerade keine Mitarbeiterin in Sichtweite ist. Selbstverständlich haben wir einen Online-Shop, wir werben auf 60 verschiedenen Kanälen, prüfen gerade eine Werbung per Whatsapp. Generell sehe ich die Zukunft im Omnichannel-Geschäft, denn die Kunden sollen zu nichts gezwungen werden, sie sollen frei sein. Wer kauft Matratzen und Vorhänge, wenn Mieten und Strompreise steigen?
HILDEBRAND: Schlaf ist und bleibt Quelle der Lebensfreude und der Leistungsfähigkeit. Schlafen und Wohnen sind Grundbedürfnisse. Daher bauen wir, so gespreizt das auch klingt, unsere Schlafkompetenz aus. Stichwort: Aktion Gesunder Rücken. Stichwort: Fachpersonal statt Regalbetreuer. Unsere Matratzen stellen wir neuerdings in Nachtatmosphäre aus, beschallt mit leichter Klaviermusik. Große Tablets  geben den Kunden eine Vororientierung. Matratzen stellen wir zu und holen alte ab - was etwa für ältere Kunden aus Wien eine Existenzfrage ist. Was mir sehr wichtig ist, ist ein gutes, hierarchieloses Betriebsklima. Wer hier ist, ist wichtig. Der Kunde spürt das. Es geht ganz wesentlich um gute Stimmung. Auch deshalb machen wir 85 Prozent unseres Umsatzes mit Vorteilskunden.

Lieferwagen anno dazumal: Heuer feiert Betten Reiter 70-Jahr-Jubiläum
Lieferwagen anno dazumal: Heuer feiert Betten Reiter 70-Jahr-Jubiläum © Betten Reiter

Sie sind jetzt 75, haben die Geschäftsführung gemeinsam mit ihrer langjährigen Kollegin Monika Zechmeister inne. Haben Sie einen Nachfolger?
HILDEBRAND: Dafür empfehlen sich einige Führungspersönlichkeiten aus unserem Betrieb. Ich habe keine Sorge.Sie beschäftigen 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Personalsorgen?
HILDEBRAND: Es ist schwer, Lehrlinge zu finden. Der Handel ist offenbar nicht mehr so beliebt. Die Leute denken: Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, nur der Handel wacht.

Wie stark ist ihr Geschäft der Mode unterworfen?
HILDEBRAND: Es gibt klare Farbtrends, die der Kleidung zeitlich nachhinken. Wir sind jetzt schon mit der Saison Herbst 2024 beschäftigt. Man darf mit modischen Aspekten aber auch nicht zu früh dran sein. Das ist uns einmal mit blauer Bettwäsche passiert.

Verstehen Sie die Forderungen der Gewerkschaft im Vorfeld der Kollektivvertragsverhandlungen?
HILDEBRAND: Ich verstehe die Töne nicht. Gegeneinander geht es nicht, nur miteinander. Ich habe Verständnis für die Wünsche, aber sie müssen Maß und Ziel haben. Wenn man die Kosten im Markt nicht weitergeben kann, wird es eng.