Viel Zeit blieb nicht. Um rechtzeitig zu den Festspielen fertig zu sein, hatte man gerade einmal zwei Wochen, um die frisch bezogenen Räumlichkeiten in der Salzburger Getreidegasse den eigenen Vorstellungen nach umzubauen. Heute, fünf Wochen nach der Eröffnung, ist Helmut Schramke mehr als zufrieden: „Wir liegen weit über den Erwartungen“, zieht der Eigentümer und Geschäftsführer der Trachtenmodemarke Mothwurf eine erste Zwischenbilanz. Auch was den Verkauf im Stammhaus in der Grazer Stempfergasse angeht, „dürfen wir uns nicht beklagen“, sagt Schramke. Man liege bereits wieder auf Vor-Coronaniveau.

Ein familiengeführtes, traditionsreiches Modegeschäft, das nicht über übermächtige Konkurrenz durch internationale Ketten und Konzerne und das „Sterben des Innenstadthandels“ klagt? Klingt überraschend bis anachronistisch. Ganz spurlos sind die Lockdowns und Reisebeschränkungen aber auch an Mothwurf nicht vorüber gezogen. In den Filialen in Wien und München würde man das Fehlen des internationalen Publikums schon spüren, gibt Schramke zu.
Aber die Krise hatte für den Expansionsschritt des in Gratkorn nördlich von Graz beheimateten Unternehmens auch einen positiven Nebeneffekt: Die Mietpreise in der prominentesten Salzburger Einkaufsmeile brachen drastisch ein. Nach Absprache mit den Großhandelskunden in unmittelbarer Nachbarschaft, die man bislang (und weiterhin) beliefert, ergriff man die Chance.

Die Mothwurf-Eigentümerfamilie bei der Eröffnung der Filiale in Salzburg
Die Mothwurf-Eigentümerfamilie bei der Eröffnung der Filiale in Salzburg © Mothwurf

Kontrapunkt zu Billig- bis Plastikdirndl-Kollektionen

Dass der anhaltende Trachtenboom der Branche in die Hände spielt, verneint Schramke zwar nicht, differenziert aber: Zum einen habe es immer schon zyklische Nachfragehochs und -tiefs gegeben. Zum anderen setze er mit seiner 30-köpfigen Belegschaft als Kontrapunkt zu Billig- bis Plastikdirndl-Kollektionen aus Fernost auf wertbeständige Qualität.

„Nachhaltigkeit beginnt mit einem guten Design“, sagt Schramke, dessen Frau diesbezüglich die Linie und saisonalen Generalthemen vorgibt. Die „Rohstoffe“ werden bewusst vornehmlich aus Österreich bezogen, genäht wird in Ungarn – „weil hierzulande niemand diese Kapazitäten schafft und wir die Betriebe nur saisonal auslasten können“, begründet Schramke. So läuft in wenigen Wochen – wenn in den Schaufenstern die 2021er-Stücke angepriesen werden – bei Mothwurf selbst bereits die Produktion für die Winterkollektion 2022 an, die ab Sommer an den Großhandel ausgeliefert wird.

Das Marktklima bleibt eingetrübt. Nach den Lockdown-Erfahrungen der letzten Monate und einer kurzzeitigen Euphorie Anfang des Sommers, ist im Großhandel wieder Unsicherheit und Zurückhaltung eingekehrt. Schramke sieht sich mit seinem Angebot aber dennoch als Profiteur der aktuellen Situation. Man sei von „explodierenden Frachtkosten in internationalen Lieferketten nicht betroffen“. Zudem habe sich angesichts des Klimawandels das Bewusstsein bei den Konsumenten für regionale Qualität gesteigert. Deren Wurzeln reichen bei Mothwurf über 250 Jahre und bis nach Wien zurück.

Maßgebende Größe im steirischen Trachten-„Universum“

Erste Aufzeichnungen in der Familienchronik weisen 1770 eine Stoffweberei aus. Hundert Jahre und eine Übersiedlung nach Graz später, wird von Schramkes Urgroßvater das erste Textilgeschäft eröffnet. Man etabliert sich als maßgebende Größe im Trachten-„Universum“ der Steiermark. Schramkes Großvater arbeitet eng mit dem bedeutenden Volkskundler Viktor von Geramb zusammen, seine Mutter wirkt mit Kulturpolitiker Hanns Koren federführend an der Erstellung der „Steirischen Trachtenmappe“ mit. Sohn Helmut schlägt vor drei Jahrzehnten dennoch eine völlig neue Linie ein. „Wir haben das Potenzial für Dinge gesehen, die der Markt nicht anbot und haben das Geschäft praktisch neu gegründet.“