Die Coronakrise fräst sich derzeit in alle Gesellschaftsbereiche, die damit einhergehenden Veränderungen sind immens. In Kooperation mit dem Verein „DENKwerk Steiermark“ werfen zahlreiche Experten aus unterschiedlichsten Bereichen einen persönlichen Blick auf die Zukunft nach Corona. Helmut Eichlseder, Professor am Institut  Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz, über Mobilität und Antriebe der Zukunft.

Bereits vor der Corona Krise hat sich die Fahrzeugindustrie in einer schwierigen Situation  befunden. Wesentlichen, wenn auch beileibe nicht den einzigen Anteil daran hat die Diskussion um das richtige und zukunftsweisende Antriebskonzept. In zum Teil recht hitzig, häufig auch faktenbefreit geführten Diskussionen wird diese Frage erörtert und oftmals die Elektromobilität als die perfekte Lösung aller mobilitätsbedingten Problemstellungen gesehen. Ist dies tatsächlich der einzige zielführende, alternativlose Weg?   

Für eine umweltverträgliche Mobilität werden neben dem Ressourcenverbrauch vorwiegend die Emissionen als Kriterium herangezogen, und zwar sowohl die von Schadstoffen als auch die von klimarelevanten Komponenten wie CO2. Dabei sind real die Emissionen nicht nur im Betrieb der Fahrzeuge, sondern über deren gesamte Lebenszyklus relevant, allerdings derzeit in der Gesetzgebung nicht derart abgebildet.

Bei der Emission von Schadstoffen ist mit der gerade erfolgten Einführung der zusätzlich zum Testzyklus erforderlichen sogenannten RDE (Real Drive Emission) Emissionsmessung  eine massive Absenkung im Realbetrieb erreicht worden. Mit einer Fahrzeugflotte der aktuellen Euro 6d Gesetzgebung ist damit selbst an den europaweit verkehrsintensivsten Stellen eine deutliche Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte zu erwarten. Während dies also beim ersten Ziel, den Schadstoffemissionen sowohl bei Otto- als Dieselfahrzeugen sehr gut gelingt, stellt die wesentlich schwierigere Aufgabe die Erfüllung der Klima-Erfordernisse dar.

Gesamten Lebenszyklus berücksichtigen

Bei jeglicher Verbrennung von fossilen Brennstoffen, sei es nun in Kraftwerksanlagen zur Stromerzeugung, Verbrennungsmotoren von Fahrzeugen, Gebäudeheizungen, Industrie oder Flugverkehr, wird CO2 produziert und damit emittiert. Die derzeitige Bewertung der Klimarelevanz von Fahrzeugantrieben durch den Gesetzgeber bezieht sich allerdings nur auf ein Teilsystem vom Energiespeicher bis zum Rad („Tank to Wheel“), sie ist also technisch schlicht nicht richtig. Ein Bezug auf das Gesamtsystem müsste neben der Energiebereitstellung für den Betrieb auch den gesamten Lebenszyklus, von der Herstellung bis zur Entsorgung, berücksichtigen.

Bei der heutigen Betrachtung durch die Brille des Gesetzgebers kann so das zweite Ziel, die (scheinbare) Klimaneutralität, recht leicht erreicht werden, da elektrische Energie unabhängig von deren Bereitstellung als CO2 frei und damit klimaneutral bewertet wird.

Um dies zumindest hinsichtlich Betrieb tatsächlich zu realisieren, darf die Bereitstellung der Antriebsenergie nur auf erneuerbarer Basis erfolgen. Damit sind grundsätzlich drei Hauptpfade von der Bereitstellung der Energie bis zum Energiewandler im Fahrzeug, der ein Elektromotor, eine Brennstoffzelle oder eine Verbrennungskraftmaschine (sowie deren  Kombination) sein kann, möglich.

Mobilität auf Basis nachhaltiger Energie – Mögliche Pfade

Den höchsten Wirkungsgrad der Umwandlung von erneuerbarer Energie in Antriebsleistung hat der batterieelektrische Antrieb. Allerdings ist dieser aus mehreren Gründen wie beispielsweise Speicherkapazität, Ladezeiten etc. nicht für alle Anwendungen geeignet.

Der Pfad über Wasserstoff und Brennstoffzelle ist mit einem Wirkungsgradverlust verbunden, ermöglicht aber mit der vergleichsweise hohen Speicherdichte die Speicherung erneuerbarer Energie sowie annähernd gewohnte Tankzeiten und Reichweiten.

Wasserstoff bildet auch die erste Stufe für die Bereitstellung von sogenannten E-Fuels, also flüssigen oder gasförmigen Kraftstoffen auf Basis erneuerbarer Energie. Seitens der Energieeffizienz sind aufgrund der Herstellung der synthetischen Kraftstoffe und des Energiewandlers weitere Abschläge zu berücksichtigen. Dem stehen allerdings die Vorteile der kurzfristigen und vollständige Einsatzmöglichkeit in der bestehenden Flotte (Rückwärtskompatibilität)  sowie eine bestehende Verteilungsinfrastruktur gegenüber.

Keine Konvergenz zu einem „Königsweg“ absehbar

Alle drei Hauptpfade haben also ihre jeweiligen Vor- und Nachteile, für die auch mittelfristig keine Konvergenz zu einem „Königsweg“ absehbar ist. Sie sind daher nicht als Entweder–Oder Konkurrenten, sondern als anwendungsspezifisch jeweils bestgeeignete Lösung anzusehen, die sich für innerstädtische Verkehrsmittel anders darstellt als für den Langstreckenverkehr. Für die Gütermobilität, den Flug- und Schiffsverkehr ist dies nochmals anders.

Die Vision umweltverträglicher Mobilität kann also auf verschiedene Art realisiert werden. Eine bestehende Schlüssel(heraus)forderung für alle drei Antriebskonzepte ist die Bereitstellung, Speicherung und Verteilung erneuerbarer Energie. 

Die Steiermark verfügt auf dem Sektor umweltverträglicher Mobilität über forschungsaktive Universitäten sowie kleine und große Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen, die international einen herausragenden Ruf genießen. Nun gilt es, leistbare (und damit über Flottendurchdringung wirksame) umweltverträgliche Mobilität bis hin zur Vision eines vernachlässigbaren Einflusses auf die Umwelt („Zero Impact“) weiterzuentwickeln und dafür Forschungs- und Entwicklungsarbeit mit Vehemenz voranzutreiben.

Der Bedarf dazu ist mit der Corona Krise vielleicht aus der Tagespresse verschwunden, nicht aber aus der Realität.

Helmut Eichlseder leitet als Institutsvorstand das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz.