Motorsägen, knackende Bäume und ein Abgesang: "Die Mur soll ewig fließen - laut, stark und wild." Laut und stark sind derzeit aber vor allem die Maschinen, die Tausende Bäume entlang des Flusses in der steirischen Landeshauptstadt für das geplante Murkraftwerk fällen. Wild sind die Gegner der Staustufe. Manche zeigen sich fassungslos, wie schnell das "grüne Band" über Hunderte Meter verschwindet.

Murkraftwerk: Aktivisten besetzen das Murufer

Demonstration am Puchsteg

Mehrere Dutzend Demonstranten waren zur Protest-Kundgebung Mittwochnachmittag zum Puchsteg gekommen. Immer wieder stimmten sie das Lied der starken und wilden Mur an. Seit Montagfrüh - dem Tag nach der Gemeinderatswahl - wird entlang des Flusses gerodet. Ein Großteil der Bäume im künftigen Staubereich für das Kraftwerk waren Mittwochnachmittag bereits umgeschnitten. Nur noch teils meterdicke Stümpfe ragten hoch, während die Harvester sich Richtung Norden weiter durch das Gehölz fraßen.

"Was wir hier im 21. Jahrhundert sehen müssen", dröhnte es aus dem Megafon der Kraftwerks-Gegner, sei nur schwer zu begreifen. Manche umarmen sich, manche weinen. Die Naturschützer bitten die Teilnehmer der Kundgebung, flüchtende Wildtiere artgerecht zu füttern. Wenig später werden nahe dem Ufer Körner ausgestreut. Die scheidende Grüne Stadträtin Lisa Rücker ist fassungslos, beinahe sprachlos: "Das ist ein extrem brutaler Akt", verurteilte sie die Baumfällungen. Und Kraftwerks-Befürworter Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) sei auch noch mit Stimmenzuwachs bei der Wahl belohnt worden, schüttelte Rücker den Kopf. "Den Menschen ist gar nicht bewusst, was da passiert - diese Zerstörung. Viele lassen sich einlullen."

Maschinen-Stopp, Demonstranten jubeln

Die propagierten 1.800 Jobs, die durch den Kraftwerksbau entstehen, sind nach Fertigstellung wieder weg, übrig bleiben zwei, rechnete Rücker vor. Nun seien Fakten geschaffen, "die Bäume sind gefallen", meinte die Stadtpolitikerin resignierend, während die Motorsägen im Hintergrund wieder in frisches Holz ratterten. Protestierende Kajak-Fahrer, die weiter nördlich in die Mur gestiegen waren und bis zu den gefällten Bäumen paddelten, versuchten die Arbeiten zu verhindern. Die Maschinen stoppten vorübergehend, die Demonstranten jubelten. Doch die Bäume aufrichten können auch sie nicht mehr. Durch das Megafon war noch ein Appell zu hören: "Stromanbieter wechseln." Bald darauf waren aber wieder nur mehr die Motorsägen zu vernehmen.

Das umstrittene Murkraftwerk wird von der Energie Steiermark mit einer Beteiligung der Energie Graz gebaut. Weitere Investoren sollen in den kommenden Wochen fix in das Projekt einsteigen. Bis 2019 soll die Staustufe fertig sein und eine Leistung von 17 MW bringen. Umfassende Umwelt-Maßnahmen müssen getroffen werden, u.a. eine Neubepflanzung. Sie alle sind im Umweltverträglichkeitsbescheid festgeschrieben.

Von Ingrid Kornberger/APA