Wie heiß muss es werden, bis wir Sie erstmals in kurzer Hose sehen?
NESTOR EL MAESTRO: Das muss schon richtig heftig sein. Ich trage nur am Strand und im Schwimmbad eine kurze Hose.

Warum?
EL MAESTRO: Ich habe keine besonders schönen Beine, aber die sind nicht der Grund (lacht). Für mich persönlich wirken erwachsene Menschen in langen Hosen seriöser. Als ich mit 23 Jahren Co-Trainer bei Schalke war, dachten viele, dass ich ein Spieler wäre. Die lange Hose war eine Möglichkeit, seriöser zu wirken und sich zu unterscheiden. Das habe ich beibehalten.

Auf Ihren Armen sind Tattoos zu erkennen. Was bedeuten sie?
EL MAESTRO: Eines beinhaltet die Nummer 10 und den Namen meines Bruders. Das andere hat mit Gott und Religion zu tun. Das hat mehr mit Mode als richtigem Glauben zu tun. Die Tattoos habe ich mit 18 Jahren gemacht. Das sind meine beiden einzigen. Wenn ich die Jungs in der Mannschaft anschaue, bin ich gut weggekommen (lacht).

Sie wirken auch richtig fit. Wie halten Sie sich in Form?
EL MAESTRO: Ich bin kein großer Läufer, sondern eher im Kraftraum anzutreffen. Nach vier Stunden Videoanalyse denkt man dann wieder klarer. Das ist ein guter Ausgleich.

Es scheint zu fruchten. Sie wirken bislang völlig tiefenentspannt.
EL MAESTRO: Ich freue mich, wenn es so rüberkommt.

Können Sie auch anders?
EL MAESTRO: Grundsätzlich habe ich keine Temperamentprobleme, bei denen ich völlig aus der Schiene gerate. Aber als Trainer muss man hin und wieder laut werden. Bisher musste ich das noch nicht. Solange man authentisch bleibt, funktioniert fast jede Art von Mannschaftsführung.

Wie legen Sie diese Rolle aus?
EL MAESTRO: Ich versuche, so ehrlich wie möglich zu bleiben. Es ist für mich angenehmer, die Wahrheit zu sagen, weil es viel Konzentration und Übung braucht, permanent auszuweichen. Ich bin kein guter Schauspieler.

Wie charakterisieren Sie sich als Typ?
EL MAESTRO: Leute, die mich kennen, sagen, ich sei ein ruhiger und introvertierter Typ. Ich bin ein relativ einfacher Mensch und brauche wenig Anerkennung. Das passt eigentlich nicht in das Profil eines Fußball-Cheftrainers.

Ex-Sturm-Trainer Ivica Osim hat mit seiner introvertierten Art das Gegenteil bewiesen.
EL MAESTRO: Ja, der hat auch richtig Ahnung. Er war seiner Zeit Jahre voraus.

Warum streben Sie nicht nach Anerkennung?
EL MAESTRO: Das kommt über die Jahre. Als Jugendlicher sind einem das Aussehen und die Kleidung wichtig. Als Ehemann und Vater ist das anders. Da findet man Fortgehen im Gegensatz zu jungen Leuten eher langweilig.

Aber Sie sind erst 36 Jahre alt.
EL MAESTRO: Ich fühle mich nicht so, eher wie ein alter Trainer. Meine Lehre, um Cheftrainer zu werden, ist ja sehr lange gewesen. Wir reden über Jahrzehnte, da geht es um Hunderte Spiele und Tausende Trainingseinheiten.

Inwiefern trägt die Arbeit bei Sturm zum Alterungsprozess bei?
EL MAESTRO: Ich bin froh, dass mir die kurze Odyssee nach Osteuropa gelungen ist und ich jetzt bei einem großen Verein in Österreich arbeite. So, wie ich meine Arbeit interpretiere, habe ich keinen Tiefenstress.

Wie gerne stehen Sie in der Öffentlichkeit?
EL MAESTRO: Ich nehme das nicht so ernst wie andere. Ich bin nicht öffentlichkeitsgeil. Ich glaube, dass zu 99 Prozent die Ergebnisse entscheidend sind und nicht, wie man in der Öffentlichkeit rüberkommt.

Bei Ihren Spielern kommen Sie gut an. Vor allem Ihre Ansprachen werden geschätzt. Was machen Sie anders?
EL MAESTRO: Da rede ich viel und muss mich immer bremsen. Ich philosophiere gerne, habe immer viele Ideen und Gedanken zum Thema Fußball, von dem ich Ahnung habe.

Welche Rolle spielt dabei der Intelligenzquotient (IQ) der Spieler?
EL MAESTRO: Ich arbeite gerne mit intelligenten Spielern, mache aber keine IQ-Tests (lacht). Intelligenz hat jedoch keinen großen Zusammenhang zum Erfolg, auch in der Wirtschaft nicht. Wir haben in der Truppe ziemlich schlaue Jungs, die viel gesehen haben. Ich glaube aber auch, dass einfachere Menschen ein besseres Herz haben und leichter für eine „Wir-Schiene“ zu motivieren sind.

Die Mannschaft zeigt sich auch motiviert, trotz Ihrer harten Vorbereitung. Welchen Stellenwert hat für Ihren Fußball die Physis?
EL MAESTRO: Der Plan ist, dass die Mannschaft laufintensiver auftritt. Anders funktioniert meine Taktik nicht. Dafür ist ohne Ende Gas geben die Basis. Egal ob Ballbesitzfußball von Guardiola oder das Spiel gegen den Ball von Klopp.

Welcher Fußball kommt Ihrem Ideal nahe?
EL MAESTRO: Was Klopp mit Liverpool macht, ist für mich total geil. Das ist momentan der attraktivste und nach dem Champions-League-Titel der erfolgreichste Fußball für mich.

Was ist mit Sturm möglich?
EL MAESTRO: Ballbesitzfußball ist nicht der richtige Weg für diese Mannschaft. Dennoch will ich es hinbekommen, dass der Fußball nicht nur erfolgreich ist, sondern auch attraktiver aussieht.

Was hat Sie bis jetzt bei Sturm überrascht?
EL MAESTRO: (denkt lange nach) Es ist viel Aufregung im Klub und drumherum. Das hätte ich nicht erwartet. Sturm ist viel bedeutsamer für Graz als Austria und Rapid für Wien. Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, sprechen mich die Leute an, sind informiert. Das Interesse am Klub ist hier riesig. Das kenne ich so nur von meiner Zeit bei Schalke.