Jetzt, nach einigen Wochen der Debatte über Eingriffe in unsere Grundrechte, ist auch wieder etwas über die Situation der Kirchen zu hören. Es geht wie überall darum, was erlaubt ist und was nicht. Meiner Meinung nach ist dies zu wenig, sowohl für die Kirche als auch für den Staat. Ich bin überzeugt davon dass wir auch hier mehr Reflexion brauchen.

Der Sport, die Schulen, die Kultur, Wirtschaft und Gesundheitswesen, alle systemrelevanten Bereiche in unserer Gesellschaft, erfahren täglich große öffentliche Aufmerksamkeit. Das Versammlungsverbot trifft sie alle hart und beschneidet ihre existenziellen Grundlagen. Lautstark wird darüber diskutiert was das „Nichtstattfinden“ für Folgen haben wird für die Menschheit und wie die ungewisse Zukunft zu meistern sei. Das ist auch gut so, denn all das ist Teil des großen Ganzen unseres Lebens.

In Deutschland wird über Religion offen diskutiert

Was ich bei diesen notwendigen, manchmal auch hilflosen Überlegungen stark vermisse, ist die Realität der Religionen und der damit verbundenen Religionsfreiheit. Ein Blick zu unseren deutschen Nachbarn zeigt uns, dass es auch anders gehen kann. Politiker, Medien und Talkshows schweigen die Welt des Glaubens keinesfalls tot. „Die Zeit“ zum Beispiel berichtet beständig darüber, wie es Seelsorgern geht, die nicht zu den Menschen kommen können. Und was die Abwesenheit von Religion im öffentlichen Bereich bei Menschen auslöst.

Ein Blick in die öffentliche Debatte über das soziale Leben in Österreich offenbart hier ein schwarzes Loch. Sind wir über Nacht in religiöse Amnesie verfallen? Nach den vielen virtuellen Osterfeierlichkeiten frage ich mich doch, ob Ostern überhaupt stattgefunden hat und ob wir nicht noch immer im Schatten des Karfreitags stehen.

Warum bemüht etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz zwar eine Auferstehungsrhetorik für die Zeit nach Ostern – hat dann eh nicht gewirkt – und spricht nie über die Sorgen tausender kirchlicher Angestellter und praktizierender Glaubender aller Religionsgemeinschaften? Vielleicht hat ihn sein freikirchlicher Ausrutscher im Wahlkampf zu einer distanzierten Haltung bewegt?

Reicht eine technoloische Brücke?

Entgegen allem Totschweigen darf man annehmen, dass es Religionsausübung in den nächsten Wochen und Jahren geben wird. Wie soll dies jedoch aussehen? Vor allem: Wie geht es den Gläubigen, wenn sie nicht mehr gemeinsam feiern und sich nicht mehr für viele kleine und große Probleme in unserer Welt engagieren können? Was denken sich die vielen Pfarrer, wenn sie merken, dass sie ohne Gemeinde sind und dass es auch ohne sie geht? Wohin gehen die spirituell Suchenden, wenn keine reale Begegnung mehr möglich ist? Reicht eine technologische Brücke zwischen den Menschen um Kommunion untereinander und mit Gott zu erfahren?

Ich vermisse das Gespräch über diese Fragen sogar im Kollegenkreis. Vielleicht waren manche Pfarrer ganz froh darüber, sich einmal nicht dem kultischen Stress aussetzen zu müssen und haben sich so vor dem Burnout gerettet. Andere haben in dieser Zeit eine technologische Aktivität entwickelt, weil sie keine Ruhe geben konnten und auch Helden sein wollten. Vielleicht sind auch einige in eine persönliche Krise geraten, weil sie isoliert und durch das quasi Berufsverbot in schwere Selbstzweifel verfallen sind? Und was für symbolische – oder diabolische Wirkung haben die vielen leeren Kirchen, vom Petersdom bis in unsere Dörfer hinein auf die Menschen? Für viele war und ist ja die eigene innere Leere schwer ohne Gemeinschaftserlebnis auszuhalten.

Eine Rückkehr zur Situation vor Corona? Schwerlich

Alle diese und noch viele andere Fragen gehen mir ab in der öffentlichen Debatte über die Entwicklungen in unserer Gesellschaft. Zu ihrem Ganzen gehört auch die Welt die Religionen. Oder glaubt man, dass diese bald zurückkehren werden zu einer Situation wie sie vor Corona war? Wohl schwerlich!