Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Sonntag auf die Kritik seines deutschen Amtskollegen Horst Seehofer am "Egoismus" Österreichs in der Migrationsfrage reagiert. "Egoismus ist für mich als Innenminister keine politisch relevante Kategorie. Ich trage Verantwortung für die in Österreich lebenden Menschen und ihre Sicherheit", so Nehammer zur APA. Über 207.000 Asylanträge und über 133.000 Schutzgewährungen seit 2015 bräuchte man wohl nicht weiter kommentieren.

"Ich konnte mir Mitte Juni bei einem Treffen mit dem dänischen Innenminister Mattias Tesfaye einen Eindruck von den dortigen Herausforderungen und Strategien machen und gehe völlig konform mit seinen Zugängen zum sozialen Zusammenhalt und Wohlfahrtsstaat", betonte der Innenminister. Verantwortung zu tragen, bedeute "vor allem die Systeme vor Überlastung und somit den sozialen Frieden für die in Österreich lebenden Menschen zu schützen", so der Innenminister.

"EU hat kein Mittel gegen Egoismus Österreichs"

Seehofer hatte gegenüber der "Bild am Sonntag" gemeint, die EU-Kommission habe in der Asylpolitik in den vergangenen Jahren dramatisch an Kraft verloren. Sie habe "bislang kein Mittel gegen den Egoismus einiger EU-Mitgliedsstaaten", darunter Österreich, finden können, sagte der deutsche Innenminister. Eine verlässliche Zusammenarbeit bei der Migration gebe es für Deutschland derzeit nur mit Frankreich, so Seehofer.

Der CSU-Politiker sagte, dass er trotz des jüngsten Vormarschs der radikalislamischen Taliban in Afghanistan an Abschiebungen in das Land festhalten wolle. "Wir verhandeln gerade mit Afghanistan, damit wir Straftäter weiterhin dorthin abschieben können", sagte er der "Bild am Sonntag". "Wie will man denn verantworten, dass Straftäter nicht mehr in ihr Heimatland zurückgeführt werden können?"

Seehofer erwähnte zudem Möglichkeiten, um "die freiwillige Ausreise noch zu verstärken". Wenn ein Inhaftierter etwa einen Teil seiner Strafe erlassen bekomme, reise er möglicherweise freiwillig aus, sagte der Innenminister. "Wir sind im Gespräch mit allen Bundesländern, denn sie sind für Abschiebungen zuständig", fügte er hinzu.

Zahl der Abschiebungen erhöhen

Nach Ende der Pandemie will Seehofer der "Bild am Sonntag" zufolge die Zahl der Abschiebungen wieder deutlich erhöhen. "Die Corona-Zeit war nicht die Zeit für Abschiebungen. Da hat jedes Land auf dieser Welt Angst vor eingeschleppten Infektionen", sagte der CSU-Politiker. "Wir werden das nach Corona wieder deutlich steigern".

Die oppositionellen Grünen hatten zuletzt angesichts zahlreicher Offensiven der Taliban auf ein Ende der Abschiebungen nach Afghanistan gepocht. Die deutsche Bundesregierung tue weiterhin so, als wäre in Afghanistan "nichts geschehen", kritisierte Grünen-Chef Robert Habeck Lage-Einschätzungen des Auswärtigen Amts vom Juli. Diese müssten revidiert und Abschiebungen ausgesetzt werden, forderte er in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Seit dem Beginn des Abzuges ausländischer Truppen haben die Taliban in Afghanistan zahlreiche Bezirke unter ihre Kontrolle gebracht und beherrschen nun weite Teile des Landes.