Der Maßnahmenvollzug ist seit Jahren heillos überlastet. 1300 zumeist psychisch kranke Straftäter sind dort untergebracht. Im Zuge der Reform wollen Sie diese Zahl nun reduzieren. Auf wie viel?
Alma Zadic: Das hängt von der Zahl der psychisch kranken und gefährlichen Täter ab. Uns war wichtig, die Voraussetzungen für eine Einweisung zu erhöhen. Gefährliche psychisch Kranke werden weiterhin untergebracht. Aber jene, die es nicht sind, sollen nicht weggesperrt werden, sondern Therapie bekommen.

Sie fallen dann in die Zuständigkeit des Gesundheitssystems. Dort steht man bei psychiatrischer Betreuung vor dem nächsten überlasteten System. Wird das Problem schlicht verschoben?
Irgendwo muss man anfangen. Mir als Justizministerin ist das wichtig, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich für die Unterbringung mehrfach verurteilt hat. Hier gibt es fürchterliche Beispiele. Mit der Reform rücken wir die Menschenrechte in den Vordergrund.

Für Terroristen sieht die Reform eine noch einfachere Unterbringung im Maßnahmenvollzug vor. Wird das nicht erneut für Kritik sorgen?
Wir haben das Vorhaben am Umgang mit gefährlichen Rückfallstätern angelehnt. Für sie gibt es bereits eine solche Regelung.



Die in der Praxis aber totes Recht ist. In den letzten zehn Jahren kam es hier zu weniger als einer Handvoll Verurteilungen.
Der gefährliche Rückfallstäter ist aber im Gesetz verankert und wird nun um gefährliche Terroristen erweitert, die eine schwere Vortat begangen haben und rückfällig wurden. Die Einweisung ist auf zehn Jahre befristet, ab Tag eins wird an der Deradikalisierung gearbeitet.

Was macht Terroristen gefährlicher als Gewalttäter, die deutlich schwerer eingewiesen werden können?
Beim Terroristen geht es um Delikte mit einer sehr hohen Strafdrohung. Und damit um ein Delikt, das schwerer wiegt.

Wie soll Deradikalisierung von Terroristen gelingen, wenn unklar ist, wann sich die Türen des Maßnahmenvollzugs wieder öffnen?
Eine Unterbringung wird vom Gericht bereits bei Verurteilung ausgesprochen. Es gibt intensive Betreuung und einen Vollzugsplan, um eine Perspektive zu bieten. Zudem wird die Unterbringung jährlich überprüft.

Können die neuen Regeln Terroristen abschrecken? Laut Innenminister hätten sie den Wiener Terroranschlag nicht verhindert.
Der Maßnahmenvollzug zielt ja nicht auf Abschreckung ab. Es geht darum, gefährliche Terroristen unterzubringen und zu deradikalisieren. Im Fokus steht auch hier die Resozialisierung der Betroffenen.

Auch ein lebenslanger Eintrag in ein Terror-Register ist geplant. Werden in diesem Register auch Jugendliche geführt, die „nur“ ein Terror-Video geteilt haben?
Hier sind alle Verurteilungen wegen Terrordelikten umfasst, ja. Wie bei Sexualstraftätern geht es insbesondere um eine Möglichkeit der Überprüfung, ob die Person in einem kritischen Bereich arbeiten können soll. Besonders wichtig ist das mit einer Eintragung erleichterte Waffenverbot.

Der Jugendliche würde also sein Leben lang im Register neben Anschlag-Planern aufscheinen?
Nein, es kommt auf die Höhe der Strafe an. Wenn jemand eine lebenslange Freiheitsstrafe bekommt, was bei Jugendlichen nicht möglich ist, dann scheint diese für immer im Strafregister auf. Alle anderen Freiheitstrafen werden nach einer gewissen Zeit gelöscht – und damit auch aus dem Terroristenregister.

Eine Terror-Straftat soll auch zum Entzug des Führerscheins führen. Was soll das bringen?
Das ist nur ein Teil der Maßnahmen. Es geht darum, dass die Person in ihrer Mobilität eingeschränkt ist und besser beobachtet werden kann. Und dementsprechend nicht so leicht Waffen transportieren könnte.

Zum Schluss zur Causa Kurz: Wann rechnen Sie hier mit einer Entscheidung über eine mögliche Anklage des Kanzlers?
Das ist schwer zu sagen. Aktuell ist die Staatsanwaltschaft dabei, be- und entlastende Beweise aufzunehmen. Dann durchläuft es noch einige Instanzen inklusive Weisungsrat, der eine Empfehlung abgibt. Und dann wird mir die Causa vorgelegt. Aber ich werde mich der Empfehlung des Weisungsrates anschließen.

Die Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines Bundesstaatsanwalts hat ihre Arbeit aufgenommen. Wie soll besetzt werden?
Diese Frage und die der Kontrolle dieser einflussreichen Position sind für mich bei dieser Mammut-Reform essenziell. Da ein Schnellschuss keine Option ist, werden von der Arbeitsgruppe nun erste Eckpunkte erarbeitet.

Wann soll das Ergebnis stehen?
Ich rechne damit, dass ich Parlament und Öffentlichkeit im ersten Quartal nächsten Jahres einen Zwischenbericht vorlegen kann.