Mit scharfer Kritik an jenen Staaten, die sich einer gemeinsamen EU-Erklärung gegen Antisemitismus verweigern, hat am heutigen Mittwoch eine hochrangige Konferenz gegen Antisemitismus und Antizionismus begonnen. Fünf oder sechs Staaten "sind aus irgendwelchen dummen Gründen dagegen", empörte sich der Vizepräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), Ariel Muzicant.

Die Erklärung soll auf Initiative des österreichischen EU-Ratsvorsitzes beim EU-Gipfel im Dezember beschlossen werden. Inhalt sei eine gemeinsame Definition von Antisemitismus sowie das Bekenntnis, "dass Juden Bürger Europas sind und das Recht darauf haben, in Frieden zu leben", erläuterte Muzicant. "Wir haben immer noch fünf, sechs Staaten, die diese Erklärung nicht unterzeichnen wollen", berichtete er.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sagte, dass er die Erklärung auf die Tagesordnung des nächsten EU-Ministerrates gesetzt habe. Der Beschluss dieser Erklärung sei "wichtig", sagte Faßmann, der Muzicant für seine Unterstützung dankte. Der Minister äußerte sich in seiner Rede auch kritisch gegenüber der Politik. "Es liegt an uns Politikern, dass Antisemitismus nicht gesellschaftlich akzeptiert wird." Zugleich warnte er davor, "das Bild zu vermitteln, dass alle muslimischen Migranten antisemitisch seien". Diesbezügliche Probleme sollen mit Wertekursen angegangen werden, so Faßmann, der insgesamt die Bedeutung der Bildungsinstitutionen hervor strich.

Schlimmer und schlimmer

Muzicant hatte in seiner Eröffnungsrede ein dramatisches Bild von der Lage der Juden in Europa gezeichnet, die "schlimmer und schlimmer" werde. "Wir stehen am Scheideweg. Die nächsten Monate und Jahre sind entscheidend dafür, was mit den 1,5 Millionen Juden passiert, die auf diesem Kontinent leben." In Österreich nehme zwar der Antisemitismus zu, "aber wir haben nicht die Gewalt und Morde wie sie in Frankreich, England, Schweden und vielen anderen Ländern passieren".

Daher sei es nun Zeit, "mit dem Reden aufzuhören und zum Handeln zu kommen", sagte Muzicant mit Blick auf die geplante EU-Erklärung und ein von Experten ausgearbeitetes Handbuch gegen Antisemitismus, das bei der Konferenz vorgestellt wurde.

"Egal in welcher Form: Antisemitismus muss verurteilt werden", betonte die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP). Sie zeigte sich diesbezüglich auch besorgt über die Zunahme des Antisemitismus in den sozialen Medien. "Wir müssen hier sensibel sein, denn Worte können zu Taten werden", sprach sich die ehemalige Richterin dafür aus, "diese Fälle zu verurteilen und zu verfolgen".

Die Vertreter der teilnehmenden jüdischen Gemeinden wurden im Vorfeld der Konferenz von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Präsidentschaftskanzlei empfangen. "Wir sind dem Jüdischen Volk und der gesamten Gesellschaft gegenüber verpflichtet, jede Form von Antisemitismus, von Rassismus und Menschenverachtung, jede Sündenbockpolitik im Ansatz zu bekämpfen und schon das Entstehen zu verhindern", schrieb Van der Bellen auf Twitter.

Zur Konferenz hatten sich EU-Justizkommissarin Vera Jourova, EVP-Fraktionschef Manfred Weber und der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin angekündigt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte seine Teilnahme wegen der Regierungskrise in seinem Land kurzfristig absagen müssen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wollte am früheren Nachmittag die Abschlussrede halten.

Während Muzicant dem Kanzleramt und der Präsidentschaftskanzlei für ihre Bemühungen dankte, zeigten sich einige jüdische Teilnehmer zurückhaltend. "Das ist eine symbolische Geste. Ich glaube nicht, dass dieses Problem durch Konferenzen gelöst wird", sagte der Rabbiner einer jüdischen Gemeinde aus einem österreichischen Nachbarland gegenüber der APA.

Die Konferenz soll nach konkreten Lösungen suchen, wie das jüdische Leben in Europa gesichert werden kann. Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage zufolge fühlen sich immer mehr Juden in Europa unsicher. In einer Umfrage unter jüdischen Führungspersönlichkeiten aus 29 Ländern gaben nur 20 Prozent an, sich an ihrem Wohnort "sehr sicher" zu fühlen, während es vor zehn Jahren noch 36 Prozent gewesen waren. Die Zahl derjenigen, die sich sehr unsicher fühlen, ist im selben Zeitraum von sechs auf 13 Prozent gestiegen. Und dies, obwohl 73 Prozent der Befragten angaben, dass die jeweiligen Regierungen angemessen mit den Sicherheitsbedürfnissen der Juden umgehen.

EJC-Präsident Moshe Kantor sagte im Vorfeld der Konferenz, dass der Antisemitismus angesichts der wachsenden Stärke von linken und rechten radikalen Gruppen "eine der größten Sicherheitsherausforderungen unserer Zeit ist". Kantor hatte Kanzler Kurz für dessen Engagement zugunsten der Juden am Dienstagabend einen Ehrenpreis des EJC überreicht, den "Jerusalem Navigator".