Zehn Tage nach der Bundestagswahl in Deutschland haben Grüne und FDP erste Weichen für eine Regierung unter Führung der SPD, eine sogenannte Ampel-Koalition, gestellt. Beide Parteien wollen in gemeinsame Dreier-Sondierungen mit den Sozialdemokraten unter Kanzlerkandidat Olaf Scholz einsteigen, wie sie am Mittwoch mitteilten. Beide Parteien unterstrichen aber, dass dies keine endgültige Absage an ein Bündnis mit CDU und CSU sei.

Den ersten Aufschlag für "Ampel"-Sondierungen machten am Vormittag die Grünen mit einem entsprechenden Vorschlag an die Liberalen. Diese teilten kurz darauf mit, sie seien dazu bereit. Eine erste Dreier-Sondierungsrunde mit der SPD soll nach Angaben von FDP-Chef Christian Lindner bereits am Donnerstag stattfinden. SPD-Politiker begrüßten die Entwicklungen.

Die größten Schnittmengen

In einer Ampel-Koalition seien aus Sicht der Grünen die größten Schnittmengen denkbar, vor allem in der Gesellschaftspolitik, sagte Grünen-Ko-Parteichef Robert Habeck. "Denkbar heißt aber ausdrücklich, dass der Keks noch lange nicht gegessen ist." Es gebe noch viele offene Punkte und auch Differenzen. "Viele Dinge sind noch nicht durchdiskutiert."

FDP-Chef Christian Lindner sagte nach Beratungen von Bundesvorstand und seiner Fraktion, seine Partei habe den Vorschlag eines gemeinsamen Gesprächs mit der SPD angenommen, um Gemeinsamkeiten zu prüfen, die Deutschland nach vorne brächten. Mit der SPD sei eine erste Sondierungsrunde für Donnerstag vereinbart. "Der nächste Schritt ist nun ein Gedankenaustausch von drei Parteien", sagte Lindner. Auch ein Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen bleibe eine "inhaltlich tragfähige Option". Er fügte hinzu, allerdings würden in der Öffentlichkeit Regierungswillen und -entschlossenheit der Union diskutiert. Lindner unterstrich jedoch: "Es gibt keine Parallelgespräche."

Keine Absage an Jamaika

Dies sei keine komplette Absage an Jamaika-Verhandlungen mit Union und FDP, sagte auch Habeck. Die Union habe sich in den Vorgesprächen wirklich bemüht und sei den Grünen entgegengekommen. Trotzdem gebe es größere inhaltliche Differenzen, etwa in der Gesellschaftspolitik und in der Europa-Politik.

Trotz der Entscheidung von Grünen und FDP hält auch CDU-Chef Armin Laschet an der Möglichkeit einer Regierungsbildung unter Führung der Union fest. "Wir haben immer deutlich gemacht, über das weitere Verfahren entscheiden FDP und Grüne", sagte Laschet am Mittwoch in einer kurzen Erklärung vor TV-Kameras in Düsseldorf. "Wir respektieren, dass es jetzt gemeinsame Gespräche gibt zwischen FDP, den Grünen und der SPD." Der Kanzlerkandidat der Union fügte hinzu: "Wir haben signalisiert: Wir stehen auch zu weiteren Gesprächen bereit. Aber die Entscheidung, mit wem man in welcher Reihenfolge spricht, liegt bei FDP und Grünen." Die Ausgangslage für die Regierungsbildung sei seit der Bundestagswahl klar, sagte Laschet. "Wir liegen auf Platz zwei." In den bilateralen Gesprächen habe die FDP signalisiert, "dass es in sehr, sehr vielen Punkten Übereinstimmung gibt mit der Union".

Söder beerdigt Laschets Jamaika-Träume

CSU-Chef Markus Söder wertete die Entscheidung von Grünen und FDP zu Dreier-Gesprächen mit der SPD dagegen als "De-facto-Absage an Jamaika". Söder sprach von einer "klaren Vorentscheidung". "FDP und Grüne haben sich entschieden für diesen Weg der Ampel. Den müssen sie jetzt auch konsequent gehen", sagte Söder am Mittwoch in München. Die CSU respektiere die Entscheidung. Es müsse jetzt die Realität anerkannt werden. Man müsse sich damit vertraut machen, dass es sehr wahrscheinlich eine Regierung ohne die Union geben werde. Man bleibe gesprächsbereit. Dies werde allerdings nicht in einer Art "Dauer-Lauerstellung" sein, so Söder.

Bei der Bundestagswahl am 26. September war die SPD stärkste Fraktion geworden, auch Grüne und FDP legten zu. Die Union fiel mit einem historisch schlechten Ergebnis von Platz eins auf Platz zwei zurück.

Kritik an der Union

Angesichts von Machtkämpfen und vermuteten Indiskretionen in der Union hatte es von Grünen und FDP zuletzt Kritik und teilweise auch Zweifel an der Regierungsfähigkeit von CDU und CSU gegeben. Erst am Dienstag waren erneut Details zu Aussagen der Grünen aus dem Gespräch mit CDU und CSU über die "Bild"-Zeitung an die Öffentlichkeit gekommen. "Vertrauen bedeutet natürlich auch, dass alles nicht danach in der Zeitung steht", sagte Baerbock.

SPD-Politikerinnen und -Politiker haben die anstehenden Sondierungen eines Ampelbündnisses aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP begrüßt. Sie freue sich, dass die SPD mit Grünen und FDP in die nächste Runde starten könne, twitterte Juso-Chefin Jessica Rosenthal. Der Abgeordnete und Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, twitterte ein Ampelsymbol und die Worte: "Das kann was werden. Und es muss gut werden." Kanzler in spe Scholz will sich erst äußern.