Die deutsche Bundeswehr soll über ein Sondervermögen 100 Milliarden Euro für Investitionen und Rüstungsvorhaben aus dem Bundeshaushalt erhalten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte am Sonntag zudem an, Deutschland werde "von nun an – Jahr für Jahr –  mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren". Scholz sicherte der Ukraine außerdem volle Solidarität gegen den russischen Angriff zu.

Scholz betonte: "Wir werden deutlich mehr investieren müssen in die Sicherheit unseres Landes. Um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen." Dies sei eine "große nationale Kraftanstrengung". Um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern, sollen schnell zwei Terminals für Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland gebaut werden, wie Scholz weiter ankündigte. Er nannte als Standorte Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Außerdem solle eine Kohle- und Gasreserve aufgebaut werden.

Scholz verurteilte den russischen Angriff auf die Ukraine scharf und nannte ihn eine weitgehende Zäsur. "Wir erleben eine Zeitenwende", sagte er. "Das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor." Im Kern gehe es um die Frage, ob Macht das Recht brechen dürfe und ob es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gestattet werden könne, die Uhren in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts zurückzudrehen. "Oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen", betonte Scholz.

Der Kanzler bekräftigte, mit dem Überfall auf die Ukraine habe Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Dies geschehe aus einem einzigen Grund: "Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen."

Die deutsche Bundesregierung hatte am Samstag eine Kehrtwende vollzogen und will nun Waffen aus Bundeswehr-Beständen an die Ukraine liefern. Die USA, Deutschland und weitere Verbündete vereinbarten zudem einen Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bedankte sich indes für die Bildung einer internationalen "Koalition" zur Unterstützung seines Landes und erste Waffenlieferungen. "Wir erhalten Waffen, Medikamente, Lebensmittel, Treibstoff, Geld", sagte Selenskyj in einem Video, das am Sonntag in den Online-Netzwerken verbreitet wurde. "Eine starke internationale Koalition hat sich gebildet, um die Ukraine zu unterstützen, eine Anti-Kriegs-Koalition", fügte Selenskyj hinzu.

Konkret begrüßte der ukrainische Präsident Waffenlieferungen aus Deutschland und Belgien und den Beschluss westlicher Verbündeter, russische Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift auszuschließen.

Selenskyj dankte in seinem Video auch dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda, der sich für einen EU-Beitritt der Ukraine ausgesprochen hatte. Selenskyj forderte zudem die internationale Gemeinschaft auf, Moskau sein Stimmrecht im UN-Sicherheitsrat zu entziehen. Er verwies auf "kriminelle Handlungen" Russlands gegen die Ukraine, "die Merkmale eines Völkermords" aufwiesen.

Deutschland hatte sich in der zuspitzenden Ukraine-Krise beständig immer intensiveren Aufforderungen nach Waffenlieferungen verschlossen. Die deutsche Linie hinderte auch NATO-Partner daran, Rüstungsgüter aus deutschen Beständen nach Kiew zu liefern. Infolge der deutschen Kehrtwende kann nun etwa Estland mehrere Haubitzen aus DDR-Produktion der ukrainischen Armee übergeben. Auch die Niederlande können nun 400 Panzerfäuste aus deutscher Produktion in die Ukraine exportieren.

Deutschland liefert nun Waffen aus den Beständen der Bundeswehr an die Ukraine. Wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Samstag mitteilte, werden die ukrainischen Streitkräfte mit 1000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen vom Typ Stinger unterstützt. Die Waffen würden so schnell wie möglich an die Ukraine geliefert.

Neben Deutschland kündigten auch andere westliche Staaten eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine an. So teilte der Elysée-Palast am Samstag nach einer Sitzung des Verteidigungsrates mit, dass Frankreich mehr militärische Ausrüstung und Kraftstoff geliefert werden soll. Details wurden nicht genannt.

Die Niederlande wollen 200 Stinger-Flugabwehrraketen liefern, Belgien 2000 Maschinengewehre. Die US-Regierung kündigte an, der Ukraine bis zu 350 Millionen US-Dollar (312 Millionen Euro) zur "sofortigen Unterstützung der Verteidigung" zur Verfügung zu stellen. Die neue Lieferung soll auch Panzerabwehrlenkwaffen vom Typ Javelin umfassen. Rumänien kündigte an, dem Nachbarland Ukraine umgehend Munition, schusssichere Westen, Militärhelme, sonstige militärische Ausrüstung, Treibstoff, Wasser, Lebensmittel, Arzneimittel sowie medizinische Hilfsgüter zukommen zu lassen.

Auch aus dem baltischen EU- und NATO-Land Litauen erhielt die Ukraine weitere Militärhilfe. "Litauische Truppen beendeten ihre logistische Operation vor Mitternacht und lieferten Waffen, Munition, Helme und gepanzerte Westen", schrieb der litauische Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas am Sonntag auf Twitter. Nach seinen Angaben sendeten insgesamt 13 NATO-Staaten der Ukraine bereits militärische Hilfe in Form von Waffen, Munition und Flug- und Panzerabwehrraketen. Litauen hatte zuvor bereits in den USA hergestellte Stinger-Flugabwehrraketen in die Ukraine geliefert.