Mit einem Zitat des verstorbenen liberalen Kardinals Carlo Maria Martini (1927-2012) hat Papst Franziskus die Römische Kurie zum Wandel aufgefordert. "Die Kirche ist 200 Jahre lang stehen geblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Haben wir Angst?", habe der ehemalige Erzbischof von Mailand in seinem letzten Interview vor seinem Tod gesagt.

Um als Christen in einer zunehmend säkularisierten Welt zu bestehen, müsse sich die Kirche reformieren, sagte Franziskus in seiner traditionellen vorweihnachtlichen Ansprache vor den Beamten den Vatikans am Samstag. Bei seiner jährlichen Audienz für die Römische Kurie erklärte Franziskus, er wolle die Geschichte der Kurie verwerten, um "eine Zukunft mit solidem Fundament" aufzubauen. "Tradition ist nicht statisch, sondern dynamisch. Tradition ist Garantie für Zukunft."

Den Missbrauchsskandal in der Kirche und die jüngsten Enthüllungen über korrupte Finanzgeschäfte im Vatikan nannte Franziskus nicht beim Namen. Die Kirche solle sich aber mehr auf die "Verkündigung" und weniger auf die "Selbsterhaltung" konzentrieren, forderte der Papst.

Glaube keine Bedingung mehr für Gemeinschaftsleben

"Wir sind nicht mehr unter einer christlichen Herrschaft, weil der Glaube - besonders in Europa, aber auch in großen Teilen der westlichen Welt - keine Bedingung mehr für das Gemeinschaftsleben ist", so der Papst. Vielmehr werde der Glaube "abgelehnt, verspottet, marginalisiert und ausgelacht", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche weiter.

"Wir erleben zurzeit nicht einfach eine Epoche des Wandels, sondern den Wandel einer Epoche", sagte der Pontifex. In solchen Phasen erlebe man einen schnellen Wandel in der Lebensweise, in den Beziehungen zwischen Generationen und in der Kommunikation. Der Christ müsse sich mit den Herausforderungen der Gegenwart befassen. "Das christliche Leben ist ein Weg, ein Pilgerweg. Die Geschichte von Gottes Volk - die Geschichte der Kirche - ist seit jeher von Wechseln geprägt", sagte der Papst.

Papst Franziskus hatte kurz nach seiner Wahl einen Kreis von Kardinälen benannt, die ihn bei einer Umgestaltung der Leitungszentrale im Vatikan beraten sollten. Dem Rat gehören derzeit sechs Kardinäle an.

Franziskus sprach auch das Thema Migration an, das ihm besonders am Herzen liegt. Er bemängelte Gleichgültigkeit gegenüber der Tragödie des Mittelmeers, das zu einem "Friedhof für Flüchtlinge" geworden sei. "Bei der Migrationsfrage geht es um Menschen, um Brüder und Schwestern, die heute das Symbol aller Ausgegrenzten der globalen Gesellschaft sind", betonte Franziskus. Für Gott sei niemand ein Ausländer, oder ein Ausgegrenzter.