Das Coronavirus überschattet derzeit alles. Wird in dieser Krise das Bundesheer schon bald eine größere Rolle spielen?

KLAUDIA TANNER: Die Entwicklung ist eine sehr dynamische. Wir sind schon in mehreren Bereichen aktiv, etwa mit 24 Soldaten in den Gesundheitshotlines. Wir haben auch alle Unterkünfte als strategische Reserve nach dem Kriterienkatalog des Gesundheitsministeriums aufgelistet. Es kommen in immer kürzeren Abständen Anfragen, die wir zu prüfen haben, auch in den Bundesländern. Was größere, personalintensive Einsätze betrifft, ist das nach jetzigem Stand schwer vorauszusagen.

Sie hatten nicht viel Zeit in ihrem Amt anzukommen. Jetzt geht die Regierung in den Krisenmodus über. Hätten Sie sich einen entspannteren Einstieg gewünscht?

Ich habe immer gesagt, das ist mein Wunschressort. Ich liebe die Herausforderung als erste Frau eine Funktion auszufüllen. Meine Managementqualitäten, die ich mir in der Wirtschaft aneignen konnte, kommen mir da zugute. Es schadet auch nicht, dass ich die große Reform im Innenministerium, die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, federführend betreuen durfte. Wünschen tut man sich vieles, aber das Leben ist kein Wunschkonzert.

Es gab zu Beginn nicht nur Kritik an Ihrem heeresfremden Hintergrund, sondern auch an der Art Ihrer öffentlichen Kommunikation. Wie gehen Sie damit um, haben Sie Lehren daraus gezogen?

Diese Beurteilung ist immer demjenigen überlassen, sind es Journalisten oder die Menschen, mit denen man zu tun hat. Ich bin dafür bekannt, dass ich durchaus hemdsärmelig bin, allein schon von meinem beruflichen Werdegang her. Ich komme von einem Bauernhof, wo es anzupacken gilt und bin auch für klare Worte bekannt.

In der Kommunikation in Ihrem Haus gab es einen Strategiewechsel. Bis Jahresende stand das Heer noch am Abgrund. Ist jetzt alles doch nicht mehr so schlimm?

Ich finde es wichtig, dass viele Daten und Fakten in zwei Berichten von meinem Vorgänger und dem Generalstab aufgelistet wurden, aber ich bewerte meine Vorgänger oder die Inhalte nicht. Ich glaube, wir haben schon auch Verantwortung dafür, wie das Bundesheer und seine Soldatinnen und Soldaten und Mitarbeiter, die so unglaublich viel leisten, von außen gesehen werden. Was ich schon gemerkt habe: Dass dieses ständige Wiederholen nicht dazu geführt hat, dass sich das Selbstbewusstsein in der Truppe steigert und auch nicht dazu, dass man sagt, den wähle ich mir als Dienstgeber. Wer geht schon irgendwo hin, wo man nur hört, was alles kaputt ist?

Klaudia Tanner will noch keine Budgetzahlen kommentieren
Klaudia Tanner will noch keine Budgetzahlen kommentieren © Alexander Danner

Am Ende liegt es aber immer am Geld bzw. Budget für das Bundesheer.

Wir haben immer gesagt, dass es Sicherheit nicht zum Nulltarif geben wird. Dass auf der anderen Seite die Bundesregierung sich einem ausgeglichenen Haushalt und der Entlastung der Österreicher verschrieben hat, ist die andere Sache. Wir müssen das Bundesheer wieder voll einsatzfähig machen, was das Milizpaket anbelangt und wo wir immer wieder voll gefordert sind, sind die Assistenzeinsätze nach Katastrophen. Das ist nicht nur eine Frage des Regelbudgets, sondern erfordert auch eine andere Herangehensweise.

Und die wäre?

Um bei dem Beispiel der Miliz zu bleiben. Hier wäre der Vorschlag von Milizbeauftragtem Erwin Hameseder, für die Miliz ein eigenes Paket außerhalb des Regelbudgets auszuarbeiten, dotiert mit 200 Millionen Euro. Dort fehlt es wirklich an vielem. Es beginnt bei der Ausstattung und geht weiter bis zur Frage, komme ich überhaupt zum Üben.

Sonderfinanzierungen

Sie gehen also mit dieser Zahl und dem Schwerpunkt auf die Miliz in die Verhandlungen?

Nicht alles soll aus dem Regelbudget finanziert werden. Das wäre eine Möglichkeit, die wir im Haus andenken, ohne dass wir dafür schon die Zusage hätten. Es geht nicht nur um das Milizpaket, die Frage wird sich auch bei der Hubschrauber-Nachbeschaffung stellen. Und auch wenn wir an den Assistenzeinsatz an der Grenze denken, ist nach Einschätzung von Experten davon auszugehen, dass ein Betrag von 50 Millionen Euro dafür sichergestellt werden muss.

Es kursieren bisher nicht dementierte Zahlen zum Finanzrahmen der nächsten Jahre. Wenn der so kommt, dann wird es ohne Einschnitte in die Struktur und ins Personal nicht gehen. Wann kommt also die nächste Bundesheerreform?

Schon bei der Amtsübergabe habe ich gesagt, das Wort Reform werde ich nicht verwenden. Offensichtlich haben so viele meiner Vorgänger damit begonnen und dann hat das nie zu einem Ende gefunden. Was die Budgetfrage anbelangt, halte ich mich weiter daran, die Verhandlungen sind nicht mit Medien zu führen. Ich habe es oft gesagt, dass es Notwendigkeiten gibt. Wie wir das dann umsetzen, darüber reden wir nach dem 18. März, dem Tag der Budgetrede.

Schon während der Regierungsverhandlungen kursierten Zahlen zu einer moderaten Budgetanhebung. Der Generalstab rechnete darauf hin Modelle durch und kam auf eine Reduktion von 30 bis 40 Prozent der Kasernen. Wie wollen sie den Landeshauptleuten die Kasernenschließungen erklären?

Das ist schlichtweg etwas, was nicht passieren wird. Wir sehen die Kasernen nicht nur als wichtige Institutionen, sondern auch wirtschaftspolitisch für die Regionen von wichtiger Bedeutung. Und wenn man das Regierungsprogramm liest, dann steht dort drin, dass man ausgewählte Kasernen zu Sicherheitsinseln ausbaut. Eine Streichliste gibt es bei mir sicher nicht.

Keine Standortgarantien

Die Landeshauptleute werden Ihnen Standortgarantien abringen wollen. Können Sie diese geben?

Am Beispiel Steiermark sieht man zum Beispiel, dass wir in die Kasernen investieren. Hier werden wir keine Kasernen schließen. Es gibt durchaus in dem einen oder anderen Bundesland den Wunsch, etwas zu verändern, wenn etwa Grundstücke benötigt werden und der Militärkommandant sagt, das brauchen wir nicht mehr. Daher tu ich mir mit dieser Begrifflichkeit schwer.

Werden Sie jene Ministerin sein, unter der die Baustelle Luftraumüberwachung geschlossen wird?

Rückblickend funktioniert die Luftraumüberwachung ja, aktiv und passiv. Worüber nun diskutiert wird, ist ja der Beschaffungsvorgang und was damit zusammenhängt. Unsere Aufgabe ist im Regierungsprogramm klar festgelegt, für die aktive und passive Luftraumüberwachung auf kosteneffizenteste Art zu sorgen. Es gab viele Vorarbeiten meiner Vorgänger, die in umfangreichen Berichten zweier Kommissionen geendet haben. Ich habe den Generalstab beauftragt, diese beiden Berichte zu erweitern um die Frage auch von allfälligen Leasingvarianten und Übergangslösungen zu behandeln. Auch die Frage, wird’s ein Einflotten- oder Zweiflottensystem werden, ist in diesem Bericht zu beantworten.

Es geht um eine Entscheidung, die für die nächsten 10, 15 Jahre Bestand hat. Werden also Sie die Ministerin sein, die Nägel mit Köpfen macht?

Wir werden die Aufgaben erfüllen, die wir im Regierungsprogramm festgelegt haben. Wie wir das genau machen, werden wir dann Ende Juni bekannt geben.

Überschall oder nicht?

Sie haben sich im Landesverteidigungsausschuss klar für ein Überschall-Muster bekannt, ist das so?

Die Formulierung war so: Ich kenne kein europäisches Land, dass die Luftraumüberwachung ohne Überschallflugzeuge schafft. Das kann sich wieder ändern, dafür haben wir ja die Experten, die uns sagen werden: Vielleicht ist das ja im Juni so, dass es möglich ist.

Wir haben Überschall-Jets, die sind abbezahlt, sie fliegen noch gut 20 Jahre, haben laufende Wartungsverträge. Warum sollten wir den Eurofighter nicht weiterbetreiben?

Wir haben neben der Frage der zukünftigen Beschaffung natürlich auch mitzudenken, was in der Vergangenheit der Fall war und auf das zu hören, was die Finanzprokuratur sagt. Was nicht nachvollziehbar ist, dass Airbus in einigen Ländern Wiedergutmachung in beträchtlicher Höhe geleistet hat und in Österreich nicht. Diese Frage haben wir schon auch mit Nachdruck zu verfolgen.

Sie haben mit Ihren Ansagen gegenüber Airbus eine hohe Erwartungshaltung erzeugt. Was, wenn Sie diese nicht erfüllen können?

Naja, dann ist es so, wie es bei allen Ministern vorher auch war. Das ist nur nicht unser Zugang. Wir treffen am Mittwoch wieder den Präsidenten der Finanzprokuratur, weil noch eine juristische Frage zu klären ist. Brauchen wir zusätzlich zum Anschluss an Privatbeteiligte ans Strafverfahren ein zivilrechtliches Verfahren?

Lückenfüller

Sie haben selbst eine mögliche Überbrückungslösung mit Schweizer F-5-Jets ins Spiel gebracht. Welche Lücke soll da konkret überbrückt werden?

Parallel finden ja laufend Gespräche mit Ministerkollegen statt. Es hat mich auch der Schwedische Verteidigungsminister von sich aus kontaktiert. Da wird halt auf der technischen Ebene einmal miteinander geredet, mehr ist es nicht. Und auch das muss gesagt werden: Flieger ausborgen ist das eine, ausbilden da wie dort ist das andere.

Und was hat Ihnen der schwedische Verteidigungsminister angeboten?

Er hat eine sehr interessante Aussage getroffen. Bei uns hieß es immer, die Saab 105 müssen bis Ende 2020 ausgephast werden und offensichtlich wollte er mir mitteilen, dass das nicht so ist und die bei ihnen länger fliegen. Dem müssen wir jetzt nachgehen in einem vertiefenden Gespräch.

Auch eine riskante Sache, Luftfahrzeuge bis zum Letzten auszureizen. Dasselbe erleben wir ja auch bei den Alouette-Hubschraubern.

Da haben Sie recht. Wir dürfen gerade in diesem Bereich keinerlei Risiko eingehen. Aber gerade bei der Alouette haben uns alle bestätigt, dass sie bis Ende 2023 sicher betrieben werden kann.

Alouette III im Schnee-Einsatz 2019
Alouette III im Schnee-Einsatz 2019 © Bundesheer/Lechner

Hat der Rechtsstreit mit Airbus eigentlich auch Auswirkungen auf die Hubschrauber-Nachbeschaffung? Das bei der Truppe favorisierte Modell H-145M kommt immerhin aus demselben Haus.

Dass Airbus nicht der Wunschpartner ist, ist die eine Sache. Dass man sich bei Beschaffungsvorgängen an rechtliche Vorgaben einzuhalten hat, ist die andere. Was wir aber in diesem Zusammenhang machen, ist eine andere Form der Vergabe, nämlich Government-to-Government.

Vertrag noch heuer

Was ist Stand der Dinge bei der Hubschrauber-Beschaffung? Die letzte Koalitionsregierung war sich ja schon einig, die Finanzierung praktisch gesichert, bevor der Bruch kam.

Die Entscheidung zur Beschaffungsform ist gefallen, nach Durchführung noch offener Gespräche mit einem weiteren möglichen Kooperationspartner, also Deutschland. An der Anzahl und am Standort hat sich nichts geändert, also zwölf leichte Mehrzweckhubschrauber und Typenwerft in Aigen und sechs Schulungshubschrauber in Langenlebarn. Wenn wir den Vertrag 2020 noch abschließen und eine durchschnittliche Produktionszeit von 18 bis 24 Monaten annehmen, dann geht sich das bis Ende 2023 aus, dass wir die Fähigkeit am neuen System haben.

Also bis 2023 steht der neue Hubschrauber in Aigen?

Das ist der Zeitplan.

Heute, Mittwoch, wird die Teiltauglichkeit beschlossen. Mir konnte noch niemand plausibel erklären, wie man dadurch auch den Grundwehrdienst an sich attraktiver gestaltet. Können Sie es?

Fangen wir viel früher an. Es sollte damit der Wunsch der jungen Männer überhaupt tauglich zu sein eher vorhanden sein. Das dürfte ja jetzt nicht ganz so der Fall sein, wenn wir 30 Prozent Untaugliche haben. Wir erwarten uns mit den neuen Kriterien, dass wir um geschätzte 2000 bis 3000  Grundwehrdiener mehr bekommen. Aber Sie haben schon Recht, die Frage der Tauglichkeit hängt nicht direkt damit zusammen, wie ich den Grundwehrdienst attraktiver mache. Da haben wir alle daran zu arbeiten, dass diese Zeit als sinnvoll empfunden wird.

Wenn ein Grundwehrdiener wegen seiner Einschränkungen keine komplette militärische Ausbildung erhält, wie soll er diese Zeit dann als sinnvoll empfinden?

Ich nehme das Beispiel her von einem Absolventen einer IT-Fachschule, der halt schlecht hört. Er würde nach den aktuellen Kriterien als untauglich eingestuft werden, kann uns aber unglaublich hilfreich sein, wenn er bei unserer Cyber-Truppe seinen Dienst verrichtet. Das Bundesheer hat so viele unterschiedliche Aufgaben, die nicht nur rein die militärische Landesverteidigung mit der Waffe betreffen.