„Die Brust in einem Restaurant herzuzeigen sei unappetitlich“, berichtet eine Frau von ihrer Erfahrung vom Stillen in der Öffentlichkeit. „Ein Kellner kam zu mir und fragte: Können Sie ihr Kind nicht am Klo stillen?“, erzählt eine andere Frau. „In einem Café wurde ich hinausgeschmissen“, so eine dritte Frau. „Ein Mann fragte mich, ob er auch mal ran dürfe“, schildert eine vierte Frau. Die Erfahrungen stammen aus einer aktuellen Erhebung vom Babyartikelhersteller MAM zum Thema Stillen im öffentlichen Raum. Demnach stillt eine von zehn Frauen in Österreich nicht in der Öffentlichkeit. 39 Prozent der Mütter fühlen sich beim Stillen in der Öffentlichkeit unwohl, 47 Prozent berichten von Anfeindungen durch Umstehende.

Vor einem Jahr wurde das Stillsiegel von MAM initiiert. Bisher sind 150 Lokale, Geschäfte und weitere öffentlich zugängliche Räume in Österreich „stillfreundlich“. Vorreiter seien Wien und die Steiermark, gefolgt von Niederösterreich, in Wien haben sich demnach viele Gastronomiebetriebe gemeldet, aber auch Museen. Im Westen Österreichs gibt es noch „Aufholbedarf“, heißt es von MAM.

Wir haben Steirerinnen und Kärntner nach ihren Erfahrungen gefragt:

„Man hat schon immer Blicke geerntet“

Sarah Spitzer (30), Leoben: „Ich bin mit meiner Tochter beim Stillen in der Öffentlichkeit Gott sei Dank noch nie irgendwo verwiesen oder vertrieben worden. Aber natürlich hat man schon immer Blicke geerntet, meistens habe ich meine Brust deswegen bedeckt. Was ich auch traurig finde: Fragt man in einem Cafe oder so nach wo man stillen kann, dann heißt es oft: Nur am Klo. Nachdem meine Tochter sechs Monate alt war, bin ich oft gefragt worden, warum ich noch immer stille. Ich würde mir auf jeden Fall mehr Stillräume wünschen und auch mehr Aufklärungsarbeit über die Vorteile des Stillens.“

Sarah Spitzer
Sarah Spitzer © KK

„Der öffentliche Raum ist nicht dafür gemacht“

Viktoria Fuchs (25), Eggersdorf bei Graz: „Ich habe erst Ende Mai mein Baby bekommen. Und mir fällt auf: Ich plane alles so, dass ich nicht in der Öffentlichkeit oder unterwegs stillen muss. Weil es gibt immer ältere weiße Männer, die gerne zuschauen. Ich habe schnell das Gefühl, dass meine Brust sexualisiert wird. Eigentlich sollte es mir ja egal sein, was andere denken, aber leider ist die Gesellschaft noch so negativ geprägt. Bevor wir wohinfahren stille ich mein Baby also. In Restaurants und Cafés setzen wir uns immer ins letzte Eck, damit ich niemanden störe, sollte der Kleine Hunger bekommen. Meistens gehe ich dann aber sowieso ins Auto zum Stillen. Der öffentliche Raum ist nicht dafür gemacht. Es gibt wenig geschützte Sitzmöglichkeiten und die sind schnell belegt. Ich würde mir mehr ruhige Örtchen wünschen. Es ist auch einfach nervig, zu wissen, dass man seinen Alltag drumherum planen muss. Im privaten Raum und mit Freunden und Familie gehe ich damit ganz anders um.“

Viktoria Fuchs
Viktoria Fuchs © KK

„Eigentlich ganz normal“

Sophie Cartiellieri (30), Graz: „Ich habe eigentlich bis jetzt kein Problem gehabt beim Stillen in der Öffentlichkeit. Beim ersten Kind war es am Anfang schon sehr komisch für mich, aber beim zweiten Kind, das im letzten November gekommen ist, war es eigentlich ganz normal. Hin und wieder gibt es schon blöde Blicke. Ich würde mir auch wünschen, dass man sich vielleicht einfach so in ein Lokal reinsetzen kann, um kurz zu stillen, ohne dass man etwas bestellen muss. Das würde vieles leichter machen.“

Sophie Cartiellieri
Sophie Cartiellieri © KK

„Ich habe kein Verständnis dafür“

Kristina Anna Müller (33), Bleiburg: „Mein Sohn ist im Juli 2023 geboren. Seitdem stille ich, wenn er es braucht – egal wo und mit wem ich zusammen bin. Schließlich störe ich meiner Meinung nach damit auch niemanden, wie zum Beispiel Raucher, dessen Rauch man dann in der Nase und auf der Kleidung hat. Als Gemeinde- und Pfarrgemeinderätin in Bleiburg und als Funktionärin im Bezirksausschuss des Roten Kreuzes Völkermarkt habe ich meinen Sohn die ersten Monate bei den Sitzungen immer mitgehabt und auch gestillt. Es war für ihn und mich stressfrei und es wurde nie eine Sitzung zwecks dem Stillen unterbrochen. Ab und zu gab es in der Öffentlichkeit unangemessene Kommentare, vor allem von Männern, die einfach was sagen mussten, sowas wie „Ah muss das jetzt sein?“. Ich habe kein Verständnis dafür. Es sollte jeder Mutter selbst überlassen sein, wo sie ihr Kind stillt. Jede Person, die sich gestört fühlt, kann ja ohne Probleme aufstehen oder wegsehen.  Ich würde mir wünschen, dass Stillen in der Öffentlichkeit so normal ist, dass man darüber nicht mal diskutieren muss.“

Kristina Anna Müller
Kristina Anna Müller © KK

„Ekelerregend und unnatürlich“

Kristin Teschl (32), Thal bei Graz: „Ich habe zwei Kinder und bei meinen Erfahrungen mit dem Stillen in der Öffentlichkeit habe ich von bis eigentlich alles durch. Ich still gerade meinen zweiten Sohn, bei meinem ersten ist es auch schon mal vorgekommen, dass ich mutterseelenallein im Stadtpark gesessen bin, stillend mit meinem fünf Wochen alten Baby und Radfahrer sind stehen geblieben und haben gefragt, was das soll. Wenn man ein Baby stillt, das älter als sechs Monate ist, kommt: Ekelerregend und unnatürlich. Auch Online-Kommentare habe ich schon lesen müssen, zum Beispiel: Die Brust ist nicht fürs Kind, sondern für den Mann. Mittlerweile habe ich ein dickes Fell. Ich wünsche mir, das Stillen nicht mehr stigmatisiert wird, dass es als das angesehen wird, was es ist: normal.“

Kristin Teschl
Kristin Teschl © KK

„Eine Frau hat ihr Kind von mir weggedreht“

Stephanie Venier (39), Schiefling am See: „Ich habe vier Söhne, der erste ist 2010 auf die Welt gekommen, der letzte 2023. Ich habe leider jede Menge Schwachsinnsschwierigkeiten zum Thema Stillen erleben müssen. Es gibt in der heutigen Zeit noch immer Menschen, die sagen, das ist eklig. Einmal hat eine Frau ihren Sohn am Spielplatz von mir weggedreht, als ich gestillt hab. Im Zug ist mir einmal ein älterer Herr gegenüber gesessen, er hat gefragt, ob ich mich denn gar nicht geniere und wie er dazu kommt, dass er sich das jetzt antun muss. Es fehlt auch an geschützten Räumen zum Stillen. Du bist als Frau in einer ständigen Rechtfertigung, dabei sollten stillende Mütter die Norm werden, es ist das normalste auf der Welt. Auch von Frau zu Frau müssen wir aufhören so schirch zu reden. Wir müssen hier etwas verändern. Es braucht eine Aufklärungskampagne.“

Stephanie Venier
Stephanie Venier © KK