Den Blick in die Ferne schweifen und die Augen dort verweilen lassen: Diese Fähigkeit scheinen wir zu verlieren. Denn: Unsere Augen kleben an den Bildschirmen der Smartphones, der Monitor im Büro fesselt unseren Blick acht Stunden täglich. Und das führt dazu, dass immer mehr Menschen kurzsichtig werden, wie Augenärzte warnen.

Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche: Sie trimmen ihre Augen schon während des Wachstums auf das Nah-Sehen. Dadurch wächst der Augapfel überproportional, das Bild entsteht im Auge nicht mehr dort, wo man scharf sieht - und Kurzsichtigkeit entsteht. "Welcher Mechanismus genau dahintersteckt, wird momentan heftig erforscht", erklärt Andreas Wedrich, Leiter der Universitäts-Augenklinik in Graz. Man müsse abklären, wie genetische und Umweltfaktoren bei der Fehlsichtigkeit zusammenspielen. Fakt ist: Der Anteil der Kurzsichtigen bei den unter 25-Jährigen ist seit den 70er-Jahren von 25 auf 40 Prozent angewachsen. In einer japanischen Studie zeigte sich sogar, dass 80 Prozent der 16-Jährigen kurzsichtig sind.

"Die Augen passen sich an die Nahsicht an und können so Gegenstände, die weiter weg sind, nicht mehr scharf stellen", kennt auch Julia Rossbacher, Augenärztin am Klinikum Klagenfurt, dieses Phänomen. Das Übel ist also das Nah-Sehen: Wir fokussieren unsere Augen auf kurze Distanzen - aber das gilt nicht nur beim Tippen am Handy, sondern auch beim Lesen von Büchern. Eine Studie der Uni Mainz hat vor Kurzem gezeigt, dass Kurzsichtigkeit eine Bildungskrankheit ist: Ein hoher Bildungsgrad und viele Schuljahre gehen mit häufigerer Kurzsichtigkeit einher, attestierten die Forscher. Die Brille als Accessoire des Intellektuellen hat also durchaus biologische Ursachen.

Kurzsicht mit Folgen

Wer seine Augen schon in der Jugend zur Kurzsichtigkeit erzieht, behält sie ein Leben lang. Und das kann Konsequenzen haben: Das Risiko, einen grünen Star zu entwickeln, steigt, außerdem kommt es häufiger zu Netzhautabhebungen und die gefürchtete Makula-Degeneration kann früher einsetzen, wie Experte Wedrich erklärt.

Was also tun? Die Experten halten nichts von Verboten, stattdessen gehe es um eine gesunde Balance zwischen Nah- und Fernblick. Das beste Mittel: Kinder zu Aktivitäten im Freien ermutigen - zwei Stunden pro Tag wären optimal. Um den Blick dort wieder in die Ferne schweifen zu lassen.