Diese kleinen Sticheleien vorweg muss Mr. Sting aushalten: Die unlustige CD, die er zuletzt mit dem halblustigen Shaggy aufgenommen hat, mag als Untermalung für viertellustige Ibiza-Videos taugen, braucht aber kein Mensch – weder Englishman noch sonst wer. Und dass er ganz aktuell mit dem Album „My Songs“, auf dem er seine größten Hits in ein neues Soundgewand steckt, zumindest teilweise Verschlimmbesserung betreibt, ist ärgerlich. Diese Songs – von „Every Breath You Take“, „Can’t Stand Losing You“ und „Message in a Bottle“ bis „Roxanne“, „Fields of Gold“ und „Fragile“ – sind Goldstücke, die man nicht aufpolieren muss, sie glänzen im Originalzustand am schönsten.



Ansonsten: Alles gut. Auf seiner „My Songs“-Tour wird Sting, dessen Künstlername so tief sitzt, dass man fast vergisst, dass er Gordon Sumner heißt, mit seiner legendären Spannkraft beweisen, dass er trotz temporärer Geschmacksunsicherheiten noch immer zu den besten Live-Acts im Rock/Pop-Geschäft gehört. Und obwohl er seit 35 Jahren als Solokünstler bzw. mit den unterschiedlichsten Formationen unterwegs ist, wird sein Name noch immer mit jener Band in Verbindung gebracht, die Ende der 70er-Jahre die glorreiche und hitparadentaugliche Verschmelzung von Punk, Rock und Ska vollbrachte: The Police. Das Trio, bestehend aus Stewart Copeland, Andy Summers und Gordon Sumner vulgo Sting, rotzte frech, aber nicht allzu ruppig fünf Alben in die Musikgeschichte und löste sich 1984 auf. Reunionversuche blieben halb gare Nostalgiefahrten, aus den drei Herren wird wohl nie wieder ein Herz und eine Seele werden.

Neustart nach Bandauflösung

Doch Sting – früher im „Normalberuf“ Englisch- und Musiklehrer – dachte nicht daran, seinen Bass an den Nagel zu hängen und die prägnante Falsettstimme einrosten zu lassen. Bereits im Jahr nach der Auflösung der Polizeistation feierte er mit seinem Debütalbum „The Dream of the Blue Turtles“ (1985) einen dreifachen Platinerfolg, das Live-Doppelalbum „Bring On the Night“ (1986) war ein hammerstarkes Rock-Pop-Jazz-Gebräu – und fortan sollte es kaum eine Musikrichtung geben, die bei Sting nicht auf dem Lehrplan stand.



Er musizierte mit Jazzeminenzen wie Branford Marsalis, arbeitete mit der Big-Band-Arrangeur-Legende Gil Evans zusammen, doch trotz dieser künstlerischen Diversität fühlte sich Sting nach eigenen Worten in einer „kreativen Endlosschleife“. Das Gegenmittel hieß Alte Musik. Voll Neugier und Wissbegier wandte sich Sting dem Liedgut von John Dowland zu, einem Komponisten des 16. und 17. Jahrhunderts, der mit seinen melancholischen Weisen die Damen des elisabethanischen England verzauberte.

Doch auf den Barock folgte wieder der Rock – und mit dem Album „57th & 9th“ kehrte Sting 2016 in die Gegenwart zurück. Und auch um die Zukunft braucht sich der 68 Jahre alte Gordon Sumner keine allzu großen Sorgen machen. Als Weinbauer und -kenner weiß er, dass die Qualität mit dem Alter meist zunimmt.