Ein am Wiener Arbeits- und Sozialgericht geführter Prozess eines heimischen Medienmanagers im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Fall sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ruft nun das Frauennetzwerk Medien und den Presseclub Concordia auf den Plan. Die beiden Organisationen wenden sich dabei mit Kritik an der zuständigen Richterin an die Präsidentin der Richtervereinigung, SabineMatejka. Sie fordern eine Stellungnahme zu im Prozess getätigten Aussagen der Richterin.

Ausschlaggebend war ein Bericht im "Standard" am 2. März, der den Prozess eines Wiener Medienmanagers begleitete, den dieser gegen eine ehemalige Mitarbeiterin führt. Diese hat - in einem anderen Verfahren - gegen ihre Entlassung geklagt, die erfolgt war, nachdem sie ihrem Vorgesetzten sexuelle Belästigung vorgeworfen hatte. Der Medienmanager wiederum klagt gegen den erhobenen Vorwurf. Ein Zeuge des Betriebsrats des Unternehmens sagte vor Gericht aus, dass es bereits zahlreiche ähnliche Beschwerden von anderen Personen gegen besagten Medienmanager gegeben habe. Die meisten Betroffenen hätten die Firma mittlerweile wieder verlassen.

Laut "Standard" habe die vorsitzende Richterin Andrea Mayrhofer während des Prozesses die Beschuldigte, die mutmaßlich von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen war, gefragt, warum sie nicht auch gekündigt habe, "man wisse doch, wie es im Unternehmen zugehe".

"Damit suggeriert die Richterin, dass Übergriffe und sexuelle Belästigung normal seien", heißt es in dem Offenen Brief des Frauennetzwerks Medien und des Presseclubs Concordia. "Als Vertreterinnen der Medienbranche weisen wir nachdrücklich darauf hin, dass ein solches Verhalten in unserer Branche weder die Norm ist noch als Norm betrachtet werden darf. Übergriffe und sexuelle Belästigung sind nicht tolerierbar!" Solche Aussagen einer Richterin schüchterten nicht nur im konkreten Fall ein, sondern seien auch "ein fatales Signal für alle anderen Betroffenen und für die Öffentlichkeit". Daher bitten die beiden Institutionen Matejka um eine Stellungnahme.