Das Jahr 2014 wird in mehrfacher Hinsicht in die Geschichte des Burgtheaters eingehen. Die Zeichen standen auf Wirbelsturm, über dem Haus am Ring kreisten bedrohlich die Pleitegeier. Aufgrund von Finanzskandalen in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß fand sich der amtierende Burgherr MatthiasHartmann draußen vor der Tür wieder, die Gerichtssäle wurden zu einer ganz und gar unerwünschten, aber immerhin fast immer bestens ausgelasteten Zusatzbühne. Der Wiener Musentempel schwankte und wankte nicht nur, er wackelte in seinen Fundamenten. Und in aller Öffentlichkeit wurde enorm viel Schmutzwäsche gewaschen. Rasches, rigoroses Krisenmanagement lautete das Stück der Stunde und niemand schien besser geeignet dafür als KarinBergmann, etliche Jahre lang mit den Hausbräuchen bestens vertraut. Exakt 72 Stunden Bedenkzeit bekam sie, bereits in Pension befindlich, um ihr von allen Seiten erhofftes Ja-Wort zu geben und ein stattliches Himmelfahrtskommando zu übernehmen.

Sie sagte zu, aus Loyalität und mit reichlich viel Risikobereitschaft. Das Burgtheater, in dessen Kassen die Motten flogen, wurde immerhin um eine eigentlich beschämende Novität reicher. Denn erstmals stand eine Direktorin an der Spitze des Hauses.

Ganz und gar unangebracht wäre es, für die Bilanz der fünfjährigen Amtszeit von KarinBergmann, die im Sommer enden wird, lediglich die künstlerische Messlatte zur Hand zu nehmen. Sie bewarb sich nicht um das Amt, sie offerierte keinerlei hochtrabende Pläne und Projekte, sie hatte, vorrangig, eine mehr als dringend erforderliche Aufgabe in die Tat umzusetzen.

Denn auf dem Spielplan stand, in roten Lettern: Konsolidierung. Und diese gelang ihr, gemeinsam mit dem kaufmännischen Geschäftsführer, ThomasKönigstorfer, weitaus rascher als erhofft. Im Jahr 2017 war das Burgtheater, keineswegs zuletzt durch drastische künstlerische und personelle Sparmaßnahmen, wieder schuldenfrei. Wobei, und dies ist KarinBergmann für den ersten Akt ihrer Amtszeit besonders hoch anzurechnen, dies keineswegs auch einen Qualitätsverzicht nach sich zog. 2015 wurde das Burgtheater von „Theater heute“ zum Theater des Jahres gekürt, 2016 wurde Ibsens „John Gabriel Borkman“ beim Berliner Theatertreffen, der wichtigsten Stücke-Mustermesse, präsentiert, drei weitere Nominierungen folgten. Dazu zählt im Mai auch „Hotel Strindberg“ – ein schönes, angemessenes Abschiedsgeschenk. Es gebührt einer Direktorin, die nie das Rampenlicht suchte, sondern gerne im Stillen wirkte. Aber lassen wir noch ein paar Zahlen sprechen. Insgesamt gab es 107 Premieren, 41 davon waren Ur- oder Erstaufführungen. Und keineswegs zuletzt glückte ihr, was die Salzburger Festspiele seit Jahrzehnten trotz etlicher Anläufe nicht schaffen: Ferdinand Schmalz schuf als Auftragswerk eine zeitgemäße „Jedermann“-Version.

Das Kompliment des Martin Kusej

Geprägt war die Ära durch mehrere Balanceakte. Von der Schadensbehebung über das Repertoiretheater bis hin zu mutigen Schritten ins Theaterneuland, etwa mit Fiston Mwanza Mujilas Stück „Zu der Zeit der Königinmutter“.

Einige Wiener Kritiker warfen Karin Bergmann den Mangel an politischer Brisanz vor. Da haben sie wohl nicht immer aufgepasst. Gut möglich aber auch, dass sie etwas anderes vermissten. Das bis zum Überdruss bekannte Marktgeschrei im Vorfeld von angeblichen Polit-Krachern, die sich nicht selten als Rohrkrepierer erwiesen.

In jedem Fall bewährt hat sich das Wechselspiel im Direktorium, zwischen Theatermachern wie Claus Peymann, denen ein Leiter – damals Klaus Bachler – folgt, der mit Inszenierungen und Selbst-Inszenierungen nichts im Sinn hat. Ähnliches gilt, wenngleich so nicht geplant, für das Duo Hartmann und Bergmann. Dass ihr Nachfolger, Martin Kusej, wieder völlig andere Wege gehen wird, lässt sich garantieren. Aber rund dreizehn aktuelle Produktionen will er übernehmen. Das ist ein Kompliment für sich.