Die Symphonien Nr. 5 und 7

Es kann nur einen geben: Carlos Kleiber (1930 – 2004). Ein Dirigent, den man oft schon nach wenigen Takten erkennt. Niemand wie er hat so explosiv musiziert und war zugleich ein solcher Klangpoet. Niemand hat Intuition und Strategie, Augenblick und Architektur so miteinander versöhnt wie dieser Mann. Das Wunder Kleiber ist leider in ein paar wenigen Beethoven-Aufnahmen verewigt: Der extrem wählerische Maestro hat nur die Symphonien Nr. 4, 5, 6 und 7 sowie die „Coriolan“-Ouvertüre aufgenommen (bzw. live mitschneiden lassen). Die prominentesten Beispiele von Kleibers eminenten Beethoven-Künsten sind die Fünfte und die Siebente mit den Wiener Philharmonikern. Die „Schicksalssymphonie“ erklingt aus einem Guss, mit enormer Innenspannung und bewahrt sich bei aller Dramatik einen menschlich-melancholischen Zug. Ebenso mitreißend gelingt dem Dirigenten die Symphonie Nr. 7, in der alles säuselt, tanzt, bebt bis sich die Zimmerdecke abhebt.

Symphonien 5 & 7. Carlos Kleiber. Wiener Philharmoniker. DG

Die Symphonie Nr. 9

Beethovens Symphonie „An die Freude“ ist ein heißdiskutiertes Stück, das schon seit Jahrzehnten totgespielt geworden ist. Wer kein hohles Pathos und oberflächliches Freudengedonner aushält, muss beim Dirigenten John Eliot Gardiner Rat suchen. Der distinguierte Brite hat 1994 den Revolutionär Beethoven auf mitreißende Art gebändigt, ohne ihn zu domestizieren. Das ist freudetrunken, aber ohne Koordinationsstörungen. Auch bei den andren acht Symphonien setzte Gardiner neue Maßstäbe.

Symphonien 1 - 9. Archiv Produktion

Die Klavierkonzerte

Nicht nur bei den Symphonien, auch bei den Klavierkonzerten ist die Anzahl der Aufnahmen unüberschaubar. So berührend und erfrischend wie beim kongenialen Duo Harnoncourt/Aimard haben sie selten geklungen. Der Dirigent und der Pianist befreien sich vom Ballast der Tradition und gehen mit einer Offenheit und Neugierde an die Arbeit, die staunenswert ist.
Klavierkonzerte 1 - 5. Pierre- Laurent Aimard, Nikolaus Harnoncourt. Chamber Orchestra of Europe. Teldec und Warner.

Das Violinkonzert

Beethovens Violinkonzert ist die Blaupause des romantischen Virtuosenkonzerts. Jeder namhafte Geiger spielt es, und es gibt viele großartige Einspielungen von Jascha Heifetz bis Gidon Kremer, von Yehudi Menuhin bis Frank Peter Zimmermann. Doch die Risikobereitschaft, mit der sich die Isabelle Faust 2010 ins Konzert stürzt, ist bewunderungswürdig. Sie versteckt sich nicht hinter einem dicken Vibrato, sondern erreicht mit Präzision, Elan und modulationsfähigem Klang höchste Intensität. Assistiert von Claudio Abbado und gekoppelt mit dem Konzert von Alban Berg.

Violinkonzert plus Violinkonzert von Alban Berg. Isabelle Faust, Claudio Abbado. Orchestra Mozart. harmonia mundi.

Die Klaviersonaten

Unter all den vielen großartigen Einspielungen der 32 Klaviersonaten reicht vielleicht diese noch hinaus. Friedrich Gulda hat sie in den späten 1960ern aufgenommen. Der Wiener Pianist stellt eine unbegreifliche, fast schon spirituelle Beziehung zwischen sich und Beethovens Noten her. Das Erstaunliche: Bei Gulda klingt Beethoven traurig und trotzig, melancholisch und freudig – aber oft im selben Moment. Diesen Doppelcharakter von Beethovens Klaviermusik hat niemand sonst auf solch eindrucksvolle Weise gezeigt.

32 Klaviersonaten. Friedrich Gulda Amadeo oder Decca.

Die Streichquartette

Angesichts Beethovens Musik verfällt man schnell in Übertreibungen und Superlative. Aber die Streichquartette waren für ihn wohl das wichtigste Experimentierfeld, ein Laboratorium, in dem er sich kompositorisch am weitesten vorwagte und in dem er sein Innerstes ausbreitete. Die letzten fünf Streichquartette nehmen eine Sonderstellung ein, es sind komplexe Werke, die das Äußerliche und Eitle abwerfen, sie sind Versuche in reiner Kunst. Am österreichischen Alban Berg Quartett (bestehend 1970 – 2008) führt einfach kein Weg vorbei.

16 Streichquartette. Alban Berg Quartett. Warner.

Die Vokalmusik

Einmal hat Maria Callas ein Beethovenstück aufgenommen: Wer wissen möchte, wie viel Leidenschaft in Beethovens Musik steckt, muss sich ihre Aufnahme der Konzertarie „Ah! perfido“ von 1964 anhören (EMI). Dass die Sängerin da schon lange über den Zenit war, macht nichts. Auch andere Stimmlegenden haben Beethoven gesungen: Der unvergleichliche Tenor Fritz Wunderlich hat Lieder interpretiert und (unter Herbert von Karajan) bei einer Aufnahme der Missa solemnis mitgewirkt (DG). Die Missa solemnis hielt Beethoven für sein bedeutendstes Werk. Nachvollziehen kann man das u. a. bei Nikolaus Harnoncourt (Sony, 2015), Philippe Herreweghe (PHI, 2012) und Otto Klemperer (EMI, 1965).

Fidelio

Der Fall Furtwängler ist auch in Sachen Beethoven nicht einfach. Der Dirigent Wilhelm Furtwängler galt als größter Beethoveninterpret seiner Epoche (worunter auch die Nazi-Zeit fällt). Die vulkanische Energie, die Musikalität seiner dionysischen Beethovendeutungen sind bis heute tief beeindruckend. Eine Lektion in Sachen schweres Pathos ist die Nachkriegsaufnahme von Beethovens einziger Oper „Fidelio“ mit der großen Martha Mödl.

Fidelio. Wilhelm Furtwängler. Wiener Philharmoniker. Martha Mödl, Wolfgang Windgassen, Gottlob Frick, Sena Jurinac, Rudolf Schock. Bei diversen Labels erschienen.