Der Medienkünstler Richard Kriesche zählt zu den produktivsten und einflussreichsten Künstlern Österreichs. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht die Analyse von Machtstrukturen in Medien und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Am Mittwoch (28. Oktober) feiert er seinen 75. Geburtstag. Mit seinen Werken versucht er, Missstände und ihre Zusammenhänge mit Medien sichtbar zu machen. "Die Gesellschaft ist meine Leinwand. Dort arbeite ich", sagte er diesbezüglich einmal.

Kriesche wurde 1940 in Wien geboren. 1963 schloss er sein Studium der Kunstgeschichte und 1964 das der Grafik und Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien ab. 1963 begann er an der Höheren Technischen Lehranstalt in Graz zu unterrichten. Als Leiter des AVZ (Audiovisuelles Zentrum Graz) gründete er die Abteilung Audio-Visuelle Medien und machte somit die erste schulische Ausbildung für Neue Medien möglich. Forschungsstipendien führten ihn nach London, Berlin, Washington und Boston. Von 1988 bis 1991 lehrte er an der Technischen Universität Wien, danach im deutschen Offenbach, und von 1995 bis 1996 übernahm er eine Gastprofessur an der "Ecole des beaux Arts" in Paris.

Seine künstlerische Auseinandersetzung begann zunächst mit analogen und ab den frühen 1970er-Jahren mit digitalen Medien. Mit "Kunst heißt eingreifen. Eingreifen heißt ordnen", konfrontierte er das Fernsehpublikum in einem Werbespot für das Schuhunternehmen Humanic. Kriesche mutierte auf dem Markusplatz zur Plastik, die sich veränderte und schließlich auflöste. "Die Idee war es, die damals völlig konzeptlose Vorstellung von Kunst mit unseren konkreten Vorstellungen nicht auf einem künstlichen Terrain, sondern direkt in der Gesellschaft zu konfrontieren", sagte Kriesche im Gespräch mit der APA. Bei einer ORF-Fernsehdiskussion präsentierte er 1974 "Blackout". Dabei trat er mit einer schwarzen Augenbinde auf und bat den Kameramann, immer näher zu kommen, bis nur mehr eine schwarze Augenbinde auf dem Bildschirm zu sehen war. So wurde seine Wirklichkeit auch zu jener des Zusehers.

Für "capital & code" installierte er 2008 im Grazer Kunsthaus ein Hightech-System beweglicher Projektoren, die den Raum mit den Grafiken der aktuellen Börsenkurse füllten. Die Welt der Finanzmärkte wurde so in den Kunstraum übertragen und ihre Wirkung kritisch zur Diskussion gestellt. Bei der Ars Electronica im Jahr 2010 war Kriesche Featured Artist und präsentierte in einer Produktionsstätte der Voest Alpine seine Arbeit "blood & tears". Das Konzept war dem von "capital & code" ähnlich, doch wurden diesmal die Kurse von gesellschaftlichen, kulturellen Werten abgebildet. Die Daten wurden aufgrund von Onlinezugriffen berechnet und dargestellt. Besonders brisant war die Tatsache, dass sie in den Raum eines global agierenden Konzerns übertragen wurden.

Kriesches Ausstellungen und Arbeiten waren bereits in zahlreichen renommierten Museen in aller Welt zu sehen. Seine erste internationale Ausstellung hatte er im Rahmen der 36. Biennale in Venedig 1970, es folgte zwei weitere Teilnahmen an der 42. und der 46. Biennale. Auch auf der documenta war Kriesche bereits zweimal vertreten (1977 und 1987). "Das war eine besonders wichtige Erfahrung", so Kriesche, "da es für einen österreichischen Künstler nicht selbstverständlich ist, gleich zweimal eingeladen zu werden". In der Ausstellung "ATOROT" des Kunsthauses Graz waren vor einigen Jahren zwei Roboter zu sehen, die Kriesche 1986 für die documenta in Kassel entwickelt hatte.

Mitte der 90er-Jahre wagte er sich in die Welt der Politik. So war er stellvertretender Leiter des Referats "Wissenschaft und Forschung" und Leiter des Kulturreferats der Steiermärkischen Landesregierung. 1997 war er als Experte des Europarates tätig, danach Berater der Europäischen Kommission, seit 2005 ist er Leiter des Medienunternehmens Kulturdata. Er lebt und arbeitet in Graz und wurde 2002 durch die steirische Landesregierung zum Hofrat ernannt. 2006 wurde ihm das österreichische Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft verliehen, 2011 folgte der Österreichische Kunstpreis.

Für die Kleine Zeitung hat Kriesche – auch in dieser Hinsicht ein Medienkünstler, dem es wichtig ist, ein breites Publikum zu erreichen – mehrmals die Umschläge der Ausgaben von Karfreitag bis Ostersonntag gestaltet. Als Provokationen der positiven Art lieferte er damit Diskussionsstoff und Beispiele für zeitgenössische Kunst außerhalb der für sie bestimmten, geschützten Räume.

Kriesche denkt nicht daran, sich in absehbarer Zeit zur Ruhe zu setzen und arbeitet derzeit an weiteren Projekten. Bis vor wenigen Wochen war im Grazer ORF-Zentrum eine künstlerische Auseinandersetzung mit NS-Kunst zu sehen - eine Neuauflage der Schau "Die Kunst mit der Kunst des Nationalsozialismus", die vor drei Jahren im Wiener Künstlerhaus zu sehen war. Vor zwei Jahren kaufte das Land Steiermark 61 Werke des Künstlers für die Neue Galerie im Landesmuseum Joanneum. Für den Ankauf, die Bearbeitung und Sicherung stellte man Mittel in der Höhe von 480.000 Euro zur Verfügung. "Mit dieser Auswahl ist es möglich, sowohl Kriesches Werk wie auch bedeutende Entwicklungen der Kunst seit den späten 1960er-Jahren auf höchstem internationalen Niveau darzustellen", sagte Kulturlandesrat Christian Buchmann damals.