Während in den meisten italienischen Regionen die Anti-Covid-Vorlagen gelockert werden, reagieren die Gesundheitsbehörden besorgt auf den Massenandrang von Menschen in den Einkaufsstraßen der Stadtzentren des Landes. In mehreren Großstädten, darunter Mailand, Rom und Turin, drängten sich am Sonntagnachmittag Menschenmengen in den Shoppingmeilen. Im beliebten Mailänder Lokalviertel Navigli versammelten sich vor allem Jugendliche.

In Florenz wurden Dutzende Strafen wegen Missachtung der Corona-Vorschriften verhängt. Auch aus dem Universitätsviertel in Bologna und in Neapel wurden Menschenansammlungen gemeldet, vor denen die Gesundheitsbehörden voller Sorge warnten. "Gelbe Zone bedeutet nicht, dass die Gefahr vorbei ist. Wir müssen weiterhin umsichtig sein, wollen wir keine Schritte zurück machen", kommentierte Gesundheitsminister Roberto Speranza.

Italien lockerte am Montag seine Anti-Covid-Maßnahmen. Elf der 20 italienischen Regionen wurde auf der Corona-Ampel von orange auf gelb herabgestuft, dort werden tagsüber Restaurants öffnen dürfen. Auch Museen sind wieder zugänglich, die Menschen erhalten mehr Reisefreiheit. Das gilt auch für die Lombardei, die von der Epidemie am stärksten betroffene Region. Fitnesszentren, Schwimmhallen, Theater und Kinos bleiben indes geschlossen.

Restaurants dürfen zu Mittag öffnen, sie müssen jedoch um 18.00 Uhr zusperren, was Unmut unter den Gastronomen auslöste, die weiterhin mit starken Einnahmerückgängen rechnen. Hatten die Italiener in den vergangenen Wochen ihren Kaffee nur auf der Straße vor den Lokalen trinken dürfen, so können sie jetzt wieder Cafes und Bars betreten. An den Tischen dürfen allerdings nicht mehr als vier Personen sitzen. Geschäfte dürfen bis 20.00 Uhr offen halten. Eine Ausgangssperre gilt von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr.

Keine der 20 italienischen Regionen ist mehr als rote Zone mit Teil-Lockdowns eingestuft. Lediglich Südtirol, Umbrien, Apulien, Sizilien und Sardinien sind noch orange codiert. Dort sollen die Menschen in der Regel ihre Orte nicht verlassen. Restaurants und Bars dürfen Gäste nicht am Tisch bedienen, erlaubt ist nur zeitweiser Außer-Haus-Verkauf. Die meisten Museen in Italien sind unterdessen wieder offen. Nach den Uffizien haben seit Montag auch die Vatikanischen Museen geöffnet. Der Besuch muss online gebucht werden.

Virologen warnten indes vor zu großem Optimismus, denn die Epidemie sei nicht zu Ende. "Zwar hat das Ampelsystem die Infektionen eingegrenzt, das Coronavirus ist aber noch nicht besiegt", sagte Massimo Galli, Direktor der Abteilung für Infektionskrankheiten des Mailänder Krankenhauses "Sacco". Agostino Miozzo, Koordinator des wissenschaftlichen Komitees (CTS), das die Regierung in Sachen Coronavirus berät, meinte, dass das seit Ende Oktober geltende Ampelsystem funktioniere. Allerdings dürfe man die Anti-Covid-Vorschriften nicht zu stark lockern, sonst drohe erneut eine Zunahme der Neuansteckungen.

Verzögerungen bei der Impfkampagne sorgen indes für Ärger in Rom. Miozzo beklagte diesbezüglich "Improvisation". "Wenn wir das Virus besiegen wollen, dürfen wir uns gewisse Fehler nicht erlauben, die uns einen hohen Preis kosten könnten", sagte der Experte, der Chaos und schlechte Organisation bei der Impfkampagne bemängelte. Die Sorge unter den Hausärzten, die mit der Impfung von Senioren über 80 Jahre beginnen soll, sei groß. Unter anderem sei noch keine Datenbank zur Registrierung geimpfter Personen eingerichtet worden.

Italien benötige "logistische und sanitäre Ressourcen", um mit einer Massenimpfung zu starten, nachdem die Engpässe bei der Lieferung der Vakzine behoben worden seien. Wegen Problemen mit der Impfstoff-Lieferung musste Italien das Ausmaß seiner am 27. Dezember begonnenen Impfkampagne halbieren.