Elfriede Jelinek gießt wegen der Causa ORF-Bürochef ihren Zorn über Sie und Nikolaus Pelinka, die Kabarettisten von "Wir Staatsdiener" verreißen Sie. Wie fühlt man sich als Lachnummer?

LAURA RUDAS: Ich bin seit acht Jahren Politikerin und muss das aushalten. Man sieht, wie man in der Parodie neue Rollen bekommt, einmal Papagei, jetzt Balkonmuppet, darüber kann ich lachen, einmal mehr, einmal weniger.

Wie lebt man damit, wenn man auf die Straße geht und jemand sagt, uh, das ist ja die vom Kabarett . . .

RUDAS: Bei der Parodie sehe ich es als Parodie. Ich kam auch im Ö3-Wecker vor, darauf wurde ich öfter angesprochen als auf manchen innenpolitischen Artikel. Das nehme ich mit Humor. Anders ist es, wenn in Kommentaren steht, dass ich ein Schnösel bin oder eine Kindersoldatin. Eine 30-Jährige Kind zu nennen ist absurd.

Na ja, Literaturnobelpreisträgerin Jelinek bezeichnet Sie gar als "Polit-Oma", als "Totengräberin der SPÖ" . . .

RUDAS: Ich habe großen Respekt vor der Frau Jelinek, vor ihrer Literatur.

Was gefällt Ihnen besonders an ihr, was haben Sie von ihren Werken gelesen?

RUDAS: Die Klavierspielerin, Wir sind Lockvögel, Baby.

Hat Jelinek ein bisserl recht?

RUDAS: Mit der Grundthese hat sie nicht recht, denn die Sozialdemokratie lebt gut.

Und das Prädikat Polit-Oma?

RUDAS: Ich finde es ein bisschen komisch, Menschen zu schubladisieren, zu sagen, ich habe meine 30 Jahre so verbracht und die nächste Generation muss das auch so machen. Ich bin Bundesgeschäftsführerin und keine Jugendfunktionärin, ich bestimme die Position der SPÖ mit. Es wäre schizophren, wenn ich das dann kritisiere. Ich verstehe natürlich die Sehnsucht. Man sieht einen jungen Menschen, hat das Gefühl, so und jetzt ist Revolution, weil man es selber so erlebt hat oder glaubt, es erlebt zu haben.

Man gewinnt von Ihnen schon den Eindruck, dass Sie als noch junge Politikerin die Macht so handhaben wie einst Ihre Vorgänger, die Zentralsekretär hießen.

RUDAS: Damals stand die Sozialdemokratie nicht nur stimmenmäßig anders da, auch die Besitzverhältnisse waren anders. Ich wurde Bundesgeschäftsführerin relativ lange nach der Bawag-Geschichte, Arbeiterzeitung hatten wir auch keine mehr, bei den Wahlen lagen wir so bei knapp 29 Prozent. Meine Ausgangslage war schwieriger. Man würde heute ja auch nicht auf die Idee kommen, anzurufen und durchs Telefon zu brüllen. Es ist eine andere Zeit, abgesehen davon, dass alles innerhalb von zwei Minuten auf Twitter oder Facebook steht.

Sie haben gesagt, damals hatte die SPÖ einiges. Umso fester muss man jetzt den ORF im Griff haben, wenn man sonst nichts mehr hat?

RUDAS: Nein, also die Redakteure im ORF sind die unabhängigsten Redakteure, schon durch ihr Arbeitsrecht, das sie schützt. Und das ist auch gut so. Die einzige ideologische Frage, die man bei ORF-Themen stellen muss, ist, braucht es einen starken staatlichen Rundfunk? Da sage ich Ja. Jetzt kann man darüber diskutieren, wie der Stiftungsrat zusammengesetzt sein soll, aber da soll es zu Erneuerungen kommen.

Aber Karriere macht man im ORF nur, wenn man sich einer mächtigen Gruppe anschließt . . .

RUDAS: Wir kennen alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im ORF. Ich glaube, dort sind Menschen mit unterschiedlichsten Weltanschauungen. Ich kenne keinen Redakteur, dem man den Vorwurf machen kann, er wäre jetzt beispielsweise ein schwarzer, grüner, roter oder blauer Redakteur. Ich glaube, dass sie sehr unabhängig und mit einer Distanz zur Politik sind.

Und wie ist das, wenn parteipolitisch punzierte Stiftungsräte in den ORF wechseln?

RUDAS: Es ist definitiv erlaubt und ist jetzt nicht das erste Mal. Es gibt dann auch Menschen, die sich für Medien interessieren und im Stiftungsrat sitzen, deswegen hat es eine gewisse Logik, dass man da unter Umständen einen beruflichen Wechsel macht. Ich bin nur dafür, dass es einheitliche Regeln gibt.

Aber jetzt sind es drei Leute, darunter eben auch Ihr Parteifreund Nikolaus Pelinka . . .

RUDAS: Ich bin dagegen, dass man nur in diesem Fall ein Exempel statuiert und sagt, die dürfen nicht und andere schon. Dann muss man das halt ändern. Die ganze Büroleitergeschichte - wie komme ich dazu, ich bin nicht Pressesprecherin des ORF, machts euch das mit dem Alexander Wrabetz aus.

Aber das ist eine aktuelle politische Diskussion . . .

RUDAS: Ich sage gerne etwas zu Verteilungsgerechtigkeit oder warum man mit der FPÖ keine Koalition eingehen kann.

Na gut, wie definieren Sie soziale Gerechtigkeit?

RUDAS: Wenn es jedem gut geht, die Schere zwischen denen, denen es besonders gut geht, und denen, denen es nur gut geht, nicht zu groß ist. Wenn man in einer Gesellschaft aufeinander schaut.

Fällt es unter soziale Gerechtigkeit, wenn die einen bei den ÖBB auch nach dem ministeriell angeordneten Ende der Frühpensionierungen mit 61,5 Jahren in Pension gehen können und andere mit 65?

RUDAS: Es gibt sicher auch bei den Bundesbahnen Mitarbeiter, bei denen eine Sonderregelung nicht gerechtfertigt ist . . .

. . . bei den Heizern der Dampflok, aber die gibt es nicht mehr.

RUDAS: Wenn die anderen Bedingungen gleich sind, sollte es langfristig beim Pensionsalter keine Sonderregelungen mehr für Unternehmen geben, sondern nur noch geschlechts- und berufsspezifisch.

Sie sagen, sozial gerecht ist, wenn man aufeinander schaut, auch auf die Erben? Vor einem halben Jahr haben Sie erklärt, dass die Erbschaftssteuer nichts bringt und dass das die armen Häuselbauer quält. Jetzt ist alles anders?

RUDAS: Niemand will Häuselbauer quälen. Wir sagen nicht, es muss die Erbschaftssteuer sein, wir sagen, es muss eine Vermögens- oder Vermögenszuwachssteuer sein. Die Erbschaftssteuer ist eine Möglichkeit.

Bleiben wir noch beim Begriff "Gerechtigkeit": Wie hoch darf die Steuerforderung des Staates sein, damit sie noch gerecht ist?

RUDAS: Abgesehen von Solidarabgaben, die man in einem Krisenbudget schon machen kann, finde ich die Besteuerung von Einkommen mit mehr als 50 Prozent nicht für richtig. Aber es ist nicht unmoralisch oder unsozial.

Muss man nicht sagen, schon jetzt ist die Steuerquote zu hoch?

RUDAS: Beim Faktor Arbeit definitiv.

Viele sprechen von neuen Steuern, niemand verspricht, dass die Einkommenssteuer dafür gesenkt wird.

RUDAS: Die SPÖ spricht davon, Arbeit zu entlasten, Vermögen stärker zu belasten. Man muss ehrlich sein. Wir haben jetzt einen sehr hohen Konsolidierungsbedarf.

Wissen Sie den aktuellen Stand der Staatsschulden?

RUDAS: Ich weiß es nicht.

Es sind rund 217 Milliarden. 1990 waren es 76,5 Milliarden. Macht Ihnen das Sorgen?

RUDAS: Deswegen bin ich dafür, dass wir den Konsolidierungskurs wirklich einhalten.

Die Koalition streitet um 10 Milliarden bei einer Verschuldung von 217 Milliarden. Diese Rituale der Politik, inklusive Pflichtstreit, verstehen die Menschen nicht.

RUDAS: Wenn Sie wüssten, was mich alles anstinkt.

Dann sagen Sie es doch.

RUDAS: Ich nehme mich gerne bei der Nase, aber das ist auch ein Problem der Medien. Mir stinkt der Zynismus.

Mit Medien gehen Sie doch gerne um, wie mit Facebook. Wie viele Leute beschäftigen Sie für Ihre Facebook-Einträge?

RUDAS: Das schreibe ich alles selber, außer ich bin unterwegs. Ich habe manchmal Rechtschreibfehler drinnen, das bin erkennbar ich selber.

Finden Sie sich auch im Kabarett-Verriss wieder? Sie werden als herrisch dargestellt.

RUDAS: Ich habe es zweimal gesehen, da war die Rolle immer so, dass ich Befehle ausgegeben habe. Man hat mich schon als Vollprolo dargestellt, als Apparatschik, als Girlie.

Und was trifft am besten zu?

RUDAS: Ich habe nicht den Eindruck, dass viele sich unterdrückt durch mich vorkommen. Und ich habe nicht die Angst, dass ich nicht mehr mitkriege, was draußen los ist.