Die Rolling Stones besangen sie als „Mother's Little Helper“, sie beruhigen, helfen beim Schlafen - und sind zu einem stillen Suchtproblem geworden: 140.000 Österreicher sind abhängig von Benzodiazepinen.

1. 140.000 Österreicher sind nach Schätzungen abhängig von Benzodiazepinen: Was sind das für Medikamente?

„Benzos“, wie sie auch genannt werden, sind eine Gruppe von Medikamenten, die eine ähnliche Wirkung haben: Sie wirken beruhigend, angstlösend, muskelentspannend und helfen beim Schlafen. Deshalb werden sie auch mit dem Begriff „Tranquilizer“, also Beruhigungsmittel, zusammengefasst. „Eines der großen Probleme mit diesen Medikamenten ist, dass sie nur die Symptome mildern, aber nichts an der Ursache der Ängste oder Schlafstörungen ändern“, sagt Hans Haltmayer, Beauftragter der Stadt Wien für Sucht- und Drogenfragen. Aus dieser rein oberflächlichen Wirkung entsteht auch das zweite Problem: Benzos machen sehr schnell abhängig.

2. Wer ist vor allem von einer solchen Abhängigkeit betroffen?

Laut Haltmayer gibt es zwei Gruppen von Abhängigen: Einerseits jene, die die Beruhigungsmittel in der immer gleichen Dosis zu sich nehmen und ohne sie nicht mehr funktionieren. „Diese Menschen wirken im Alltag sehr ruhig und angepasst“, sagt Haltmayer. „Doch im Moment, in dem sie die Medikamente absetzen, bekommen sie schwere Schlafstörungen, extreme innere Unruhe und Angst bis hin zur Panik.“ Besonders oft sind es Frauen und ältere Menschen, die aufgrund von Schlafstörungen oder Angstzuständen Benzodiazepine einnehmen - und dann nicht mehr ohne sie können. Die zweite, viel kleinere Gruppe sind Menschen mit einer Hochdosis-Abhängigkeit, die auch oft von anderen Suchtmitteln abhängig sind und eine immer höhere Dosis brauchen.

3. Wie kann man verhindern, dass Menschen in eine solche Abhängigkeit schlittern?

„Eigentlich sollten Benzodiazepine vor allem in der Notfallmedizin und bei epileptischen und psychiatrischen Notfällen eingesetzt werden“, sagt Haltmayer. Sie sind zum Beispiel dazu da, um Menschen vor einer Operation oder bei akuten Panikattacken zu beruhigen. Das Wichtigste sei, Benzos immer nur für einen sehr kurzen Zeitraum (maximal acht Wochen!) einzusetzen - und nur für die richtigen Beschwerdebilder. Denn eigentlich sind Benzos nicht dafür vorgesehen, Schlafstörungen oder Angstzustände zu behandeln.

4. Warum werden Benzos dann so falsch eingesetzt?

Das liegt an Patienten, die rasch Linderung fordern, und an Ärzten, die die Suchtgefahren nicht kennen oder ihren Patienten auf einfachem Wege helfen wollen. „Hinter Schlaf- oder Angststörungen stecken oft psychische Erkrankungen wie eine Depression, für die es ein umfangreiches Therapiekonzept braucht“, sagt Haltmayer. Die Beruhigungspille, die auch noch gut wirkt, ist da die viel einfachere Alternative - doch mit gravierenden Folgen. Denn Benzos machen nicht nur schnell abhängig, sie haben auch massive Nebenwirkungen. „Die Patienten sind wie in Watte gepackt, sie spüren sich und andere emotional wenig und die Interaktion mit anderen ist beeinträchtigt“, sagt Haltmayer. Auch leidet das Kurzzeitgedächtnis stark unter den Medikamenten.

5. Wie kann der Entzug funktionieren?

Es gibt die Möglichkeit des stationären Entzugs im Krankenhaus, der drei bis sechs Wochen dauert - und laut Haltmayer mit einer hohen Rückfallgefahr verbunden ist. Oder man reduziert die Dosis sehr langsam immer weiter, was Monate bis Jahre dauern kann.